Club Suizid: Ein lustiger Roman über ein weniger lustiges Thema (German Edition)
statt meiner: „Mattes und Devi, das war ein Schicksalstreffen. Als sie sich hier trafen, bebte die Erde.“
„ Oh, dann tut es mir wirklich sehr leid!“ Isabelle klang diesmal ehrlich bewegt, aber auch ein bisschen enttäuscht.
„ Bleibst du noch bei uns, bis wir gegessen haben? Dann können wir uns nachher gemeinsam um die Beerdigung kümmern?“ bat ich mit einem hoffentlich unschuldigen Augenaufschlag.
„ Wenn du mir noch eine Orange mitbringst.“
Am Büffet flüsterte Rana mir zu: „Keine Sorge, ich komme nicht mit zum Bestatter.“
Ich zuckte die Schultern, als ob es mir so oder so recht wäre, und konzentrierte mich auf die Zusammenstellung eines appetitlich und gesund aussehenden Frühstückstellers.
Während wir aßen, berichtete Isabelle von ihrer Arbeit. „Das Amt ist eine Behörde, wie jede andere Behörde auch. Es gibt vier Kasten: Den einfachen Dienst, den mittleren Dienst, den gehobenen Dienst. Und über allem schwebt der Höhere Dienst. Und dann gibt es noch die Unberührbaren, die Ortskräfte. Aber ich will mich nicht beschweren, es gibt eine Mietzulage und Aufwandsentschädigung, Auslandszulage und bezahlte Heimaturlaube, Schulgeld, Gardinenzulage, Beihilfe, also ich lebe nicht schlecht. Und manchmal treffe ich ja auch interessante Leute!“
Für Rana, die gestern das Wichtigste verpasst hatte, fasste ich Isabelles Geschichte kurz zusammen: Isabelles Mutter war Französin, deswegen hatte die Familie auch ein paar Jahre in Paris gelebt. Und da sie auch noch Englisch und Spanisch sprach, hatte sie sich beim Auswärtigen Amt beworben. Zuerst war ihr die Zusage und Einstellung wie ein Lottogewinn vorgekommen, aber mittlerweile hatte sie keine Spaß mehr am Diplomatenleben. Sie würde demnächst ihr Fernstudium in Pharmakologie beenden und sich dann einen Job in der freien Wirtschaft suchen.
„ Aber in der freien Wirtschaft geht es doch genauso hierarchisch zu, und dass dann ohne Gardinen- und Auslandszulage“, gab Rana zu bedenken.
„ Kann schon sein, aber ich würde einfach gerne mal selber denken dürfen. Vielleicht finde ich ja auch einen Job bei einer Fachzeitschrift.“
Das war das Stichwort für Rana, und sie erzählte ausgiebig von den Freuden und Übeln des Reporterberufs. Leider konnte ich nicht viel beisteuern, denn wenn ich es recht überdachte, hatte ich noch nie richtig gearbeitet, mit der Ausnahme von dem einen Tag bei MacDonalds, als ich 18 war, kurz vor dem Abi. Am Ende des Tages hatten der Manager und ich gemeinsam beschlossen, dass ich zu Hause besser aufgehoben war. Aber manchmal wünschte ich schon, ich hätte einen Beruf, dann hätte ich jetzt wenigstens etwas zur Unterhaltung beisteuern können.
Nach dem Frühstück sagte Rana, sie habe noch etwas mit ihrem Redakteur zu besprechen und ging auf ihr Zimmer zurück, während Isabelle und ich uns auf den Weg zum örtlichen Bestatter machten. Henry hatte uns den Jeep mit Jesus, dem Fahrer, zur Verfügung gestellt. Isabelle saß vorne und ihre langen Haare flogen mir ins Gesicht. Ich rutschte in die Mitte der Rückbank und beugte mich vor, damit sie mich verstehen konnte. Weil sie zum ersten Mal auf der Insel war, konnte ich mich ein bisschen als Reiseführer aufspielen.
Die Geschäftsräume des Bestatters lagen in der Hauptstadt auf der Nordseite der Insel. Jesus hatte die Ostroute gewählt, die an der Küste entlangführte. Als wir an die Stelle kamen, an der Henry vorgestern Abend angehalten hatte, bat ich ihn, auf den Parkplatz zu fahren. Ich sprang raus und machte Isabelle die Tür auf.
„ Hier ist der östlichste Punkt der Karibik!“ erklärte ich ihr. „Zwischen uns und Afrika liegt nichts als ungefähr 5000 km Wasser. Hier stand ich vorgestern und kam mir verloren vor. Und fühlte mich doch irgendwie als Teil von etwas Größerem. Devi hat mein Leben verändert.“
Isabelle schaute nach Osten, als ob sie dort die Küste Afrikas suchte. Schließlich legte sie ihre Hand auf meinen Arm und sagte: „Schade, dass ich sie nicht kennen gelernt habe. Sie hat die Menschen bewegt, scheint es.“
Ich nickte. „Es ist wirklich tragisch. Sie hatte so viele Talente und Erfolge auf verschiedenen Gebieten, aber das hat ihr alles keine Erfüllung gebracht. So lange kannte ich sie gar nicht, aber ich denke, im Grunde wollte sie nur geliebt werden als der Mensch, der sie war.“
„ Und hättest du ihr diese Liebe geben können?“
„ Ich weiß es nicht. Sie wusste ja selbst kaum, wer sie war.“
„ Ja, ich kenne
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