Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
ich sie in einem der früheren Kapitel erläutert habe. Eine
weitere Aufgabe von Coaching besteht aber in der Umstrukturierung bisheriger Deutungsmuster. Führungskräfte, die neu in ein
System eintreten, haben ja durch ihre bisherige Berufserfahrung schon vielfältige Zuordnungsmöglichkeiten und Handlungsstrategien
gebildet, die sich aber im neuen System nicht unbedingt als tauglich erweisen. So ist es oft notwendig, viele der bisherigen
Muster zu »verlernen«, sie also in neue zu verwandeln oder die alten durch neue anzureichern.
Für eine solche Beratung werden vor allem deshalb gerne externe Berater engagiert, weil sie von ihrem systemdistanzierten
Standort aus die Anforderungen der Mitarbeiter an eine neue Führungskraft oft unvoreingenommener und unbefangener erfassen.
Darüber hinaus erlaubt ihnen ihr exzentrischer Standort auch leichter, das gesamte berufliche Ensemble mit seinen Ansprüchen
in den Blick zu bekommen. In diesem Sinn fungieren sie als »Kulturanthropologen«, die zusammen mit ihren Klienten die neue
»Miniaturgesellschaft« (
Steinmann, Schreyögg, G.
1993) mit allen wesentlichen Konstituenten zu erkunden suchen.
Manche hochrangige Führungskräfte leisten sich den »Luxus«, einen externen Coach als langfristigen und umfassenden Personalentwickler
zu |206| bemühen. Das ist auch nur zu verständlich, denn je höher ein Manager in der Hierarchie angesiedelt ist, desto seltener erhält
er Feedback (
Hauser
1993). Im Coach finden sie dann einen Menschen, mit dem sie alle für sie relevanten beruflichen Themen vorbehaltlos verhandeln
können. Den Ausgangspunkt bilden meistens mehr oder weniger gravierende Krisenerfahrungen. Im Zuge der Krisenbewältigung lernen
sie den Coach oft als einen neutralen, eben nicht in ihr System eingebundenen Gesprächspartner zu schätzen. Solche Beratung
kann sich mit monatlichen oder zweimonatlichen Abständen über mehrere Jahre erstrecken.
Thematisch taucht dann im Coaching alles das auf, was die Führungskraft aktuell beschäftigt. Dementsprechend variieren die
Ziele von der Karriere- und Rollenberatung bis zur Förderung sehr spezifischer Kompetenzen. Bei solchen langfristigen Begleitungen
werden natürlich auch immer wieder krisenhafte Erscheinungen thematisiert.
1.2 Der interne Coach
Die besondere Funktion von internem Coaching besteht in der organisationsspezifischen Personalentwicklung. Nun erfreut sich
allerdings der Begriff Coaching heute zunehmender Beliebtheit, sodass manche Autoren jedwede Form der Personalentwicklung
(z. B.
Hartz
1994) unter diesen Begriff subsumieren. Sie meinen dann Weiterbildung, Nachbeschulung und alle Arten von Seminaren innerhalb
des Hauses. Die meisten Publikationen, die internes Coaching thematisieren, akzentuieren aber eine spezialisierte Beratung
für Einzelne oder Kleingruppen. Sie soll dann durch Vorgesetzte (z. B.
Hamann, Huber
1991) oder durch Mitglieder von Stabsabteilungen (z. B.
Whitmore
1994) erfolgen. Diese beiden Rollenkonstellationen möchte ich hier sorgsam differenzieren.
Der interne »Coach« aus der Linie
Es stellt eine grundlegende Aufgabe jedes Vorgesetzten dar, die ihm unterstellten Mitarbeiter bei Erfüllung ihrer Aufgaben
zu beraten (
Kieser,
Kubicek
1983), Newcomer bei ihrer Integration ins Haus zu unterstützen, Mitarbeiter bei neuen Aufgabenstellungen zu begleiten usw.
Solche Vorgesetztenfunktionen sollten, wie schon
Parker & Kleemeier
(1951) im Zusammenhang mit der Human-Relations-Debatte thematisierten, fachlich |207| und menschlich qualifiziert wahrgenommen werden. Und das, was ältere Autoren begrifflich als »menschlich-orientiertes Führungsverhalten«
beschrieben, wird nun bei neueren Autoren plötzlich als »Coaching« bezeichnet. Bei Durchsicht der einschlägigen Literatur
scheint das Novum dieser Führungshaltung äußerlich darin zu bestehen, dass sich Vorgesetzte psychotherapie-ähnlicher Kommunikationsformen
bedienen sollen. Diese werden entweder aus der Gesprächspsychotherapie (
Whitmore
1994), aus der Transaktionalanalyse (
Hamann, Huber
1991) oder aus dem NLP (
Buchner
1993) adaptiert. Die einschlägigen Publikationen enthalten jeweils Programme, wie sich Vorgesetzte verhalten sollten und wie
die ideale Führungs-/»Coaching«-Haltung einzuüben ist.
Im Gegensatz allerdings zu traditionellen Führungskonzepten spiegeln diese Ansätze in ihrer Zielsetzung einen generellen Trend
wider, bei dem die »Ressource Mensch« als
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