Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
Beispiel des Wiener »Steinhof« beschrieben wurden (allgemeiner vgl. auch
Goffman
1972;
Schwendter
1991).
Das Management dieser Systeme erweist sich nicht selten als verschlafen, stur, fantasielos, konservativ und gründet seine
Macht vorrangig auf die gegebene formale Ordnung. Diese meist auch relativ großen Systeme |43| sind oft nicht nur extrem unbeweglich, sodass sich der einzelne Sozialmanager insgeheim eher ohnmächtig fühlt, überhaupt noch
etwas zu bewegen; sie sind im Allgemeinen auch von so vielen Suprasystemen mitbestimmt, dass das Sozialmanagement, wie wir
sogleich sehen werden, auch faktisch oft wenig zu managen hat. Wichtigste Managementrollen sind dementsprechend relativ formale
Ausgestaltungen als »Gallionsfigur« oder als »Verhandlungsführer«. Konzeptionelle oder soziale Managementkompetenzen sind
hier wenig relevant, dafür aber technische. Schulleiter etwa müssen viel Zeit in das Studium von Gesetzestexten, Regierungsvorgaben
usw. investieren, damit sie formal makellos sind. In diesen Systemen sind für die Manager im Allgemeinen weder Effizienzkriterien
noch solche von Humanität besonders relevant, bzw. sie werden vom Streben nach »Linientreue« allzu leicht überschwemmt (
Hasenfeld
1992).
Auch mit dieser Typologie von Human Service Organizations werden Phänomene natürlich stark akzentuiert, wie ich schon bei
der Typologie von Wirtschaftsunternehmungen ansprach. In der Realität begegnen uns auch in diesem Bereich eher Mischformen
oder abgemilderte Varianten.
Grenzen durch Ehrenamtlichkeit
Eine Besonderheit sozialer Dienstleistungssysteme besteht im hohen Anteil ehrenamtlich Tätiger. Sie stellen als Vereinsmitglieder
beim Roten Kreuz oder in Kinderläden oft Vorgesetzte von Sozialmanagern dar, oder sie fungieren, wie etwa bei den Kirchen,
als ehrenamtliche Helfer in der Telefonseelsorge, als Kindergottesdiensthelfer usw.
Wenn es sich bei den Ehrenamtlichen um Vorgesetzte handelt, besteht für Sozialmanager fast immer die Gefahr, dass sie von
diesen latent oder offen entprofessionalisiert werden. Die Übernahme von formalen Managementfunktionen hat dann meistens zwiespältige
Konsequenzen: Die Professionellen werden zwar von den Ehrenamtlichen ausdrücklich als solche engagiert, wenn sie aber ihres
Amtes ernstlich walten, geraten sie schnell in den Ruf, ihre Aufgaben »zu professionell«, »menschlich zu wenig nah« usw. zu
versehen (
Maelicke, Reinbold
1992). Die ehrenamtlichen Vorgesetzten selbst verfügen meistens auch nicht über Kompetenzen, wie sich ein soziales System
in der organisatorischen Umwelt vernetzen lässt, welche Bezüge zu Suprasystemen aufrechterhalten werden müssen oder wie mit
diesen zu verhandeln ist.
|44| Bei Einrichtungen der Lebenshilfe oder beim Roten Kreuz sind Ehrenamtliche im Allgemeinen diejenigen Personen, die Verhandlungen
mit Kostenträgern zu führen haben. Da diese Aufgabe im Prinzip nur auf dem Hintergrund von Intimkenntnissen des jeweiligen
organisatorischen Systems und seiner Abläufe angemessen kompetent wahrgenommen werden kann, ziehen Trägervertreter in den
meisten Fällen die Leitung der betreffenden Einrichtung hinzu. In vielen anderen Fällen führen sie die Verhandlungen aber
ohne Mitbeteiligung von Mitarbeitern. Die Konsequenzen sind dann nicht nur Unmutsreaktionen in den Einrichtungen, sondern
auch ungünstige Verhandlungsergebnisse. Wenn die Professionellen solche Aufgaben übernehmen wollen, scheitern sie nicht selten
am Unverständnis der Ehrenamtlichen, oder sie provozieren Kränkungsreaktionen.
Die Motivation von Ehrenamtlichen ist prinzipiell anders gelagert als die von Professionellen. Sie erwarten sich ja per definitionem
nicht einen materiellen Gewinn, sondern einen ideellen. Die meist verdeckten Motivationen von Ehrenamtlichen zentrieren sich
um Wünsche nach Geselligkeit oder um Sinnsuche. Manchmal suchen sie in der Ehrenamtlichkeit auch ein Kompensat für subjektiv
verfehlte Berufskarrieren, einen nicht realisierten sozialen Aufstieg und anderes. Hauptamtliche neigen dazu, den Ehrenamtlichen
ihre eigene Motivation zu unterstellen und umgekehrt. Das führt nicht selten zu vielfältigen Missverständnissen und anderen
unerfreulichen Interaktionen, die die Funktionsfähigkeit eines gesamten Systems in Mitleidenschaft ziehen können.
Handelt es sich bei den Ehrenamtlichen um unterstellte Mitarbeiter, ergeben sich für Sozialmanager wieder andere Probleme.
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