Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
Verwaltung« links liegen zu lassen oder sie einem nur ungenügend funktionierenden Sekretariat
anzuvertrauen. Sie konnten es sich ebenso leisten, die Vernetzung ihrer Einrichtung im organisatorischen Umfeld zu vernachlässigen
oder die Anforderungen von Suprasystemen, die Relation zu benachbarten Systemen usw. zu »übersehen.«
Der geringe »Marktdruck« korrespondierte, entsprechend einem gesamtgesellschaftlichen Trend, vielfach mit selbsterfahrungsorientierten
Vorstellungen (
Schulze
1993). Im Zentrum des Interesses vieler Sozialmanager stand seit den 70er Jahren eher die Frage, wie sie sich selbst entfalten
und als Vorgesetzte die Entfaltung ihrer unterstellten Mitarbeiter befördern könnten. Als Mitglieder bürokratisierter Systeme
sahen sie oft ohnedies keinerlei Handlungsspielräume für ihr Management, und als Leitung von »sozial-orientierten« Kulturen
sahen sie keine Notwendigkeit. Eine solche Sicht traf sich mit ideologischen Positionen, die in diesem Milieu schon seit Ende
der 60er Jahre transportiert wurden, dass nämlich »Führen« oder »Management« »unschöne Angelegenheiten« sind, die man lieber
den »deformierten« Menschen in der Wirtschaft zuordnet. Berufliche Qualifikation wurde von vielen Leitungen »leistungsorientierter«
Einrichtungen (
Brody
1993) perspektivisch auf die Aufgabenerfüllung an Klienten oder Patienten beschränkt. Nach dem Motto, »ein guter Chef ist
einer, der seinen Mitarbeitern vorführt, wie man optimal mit der Klientel umgeht«, sammelten sie z. B. oft lieber zahlreiche
therapeutische Zusatzausbildungen an. Managementanforderungen seitens eines beruflichen Systems oder seitens der Suprasysteme
als Anlass für Fortbildungen spielten deshalb selten eine Rolle.
In stationären Einrichtungen für Psychotherapie z. B. erschöpfen sich viele Leitungen in einer vorbildlichen therapeutischen
Arbeit mit Patienten. Ihre eigentlichen Leitungsaufgaben dagegen erledigen sie nur nebenbei in ihrer restlichen Zeit. Diese
Situation führt bei den Mitarbeitern in mehrfacher Hinsicht zu Irritationen, die eine gesamte Einrichtung in Mitleidenschaft
ziehen können. Die betont vorbildliche therapeutische Haltung von Leitern verweist die Mitarbeiter indirekt immer in eine
Position von Zweitrangigkeit. Das führt bei diesen zu |61| allerlei Kränkungsgefühlen. Es führt aber auch zu Elternübertragungen, d. h. die Mitarbeiter erleben sich dann in die Position
von Teenagern verwiesen, die den Eltern noch nicht das »Wasser reichen« können. Außerdem erleben sie oft unterschwellige Eifersuchtsreaktionen
gegenüber den Patienten: »Um die kümmert er sich immer, um uns aber nicht.« Aufgrund der individualisierenden Kulturmuster
in diesem Einrichtungstyp wird ein solcher Unmut meistens personalisiert, was sich nicht selten in untergründigen Querelen
zwischen Leitung und Mitarbeitern manifestiert.
In den letzten Jahren taucht aber nun auch im Milieu sozialer Dienstleistungssysteme zunehmend das Bedürfnis nach dem Erwerb
faktischer Managementqualifikationen auf. So finden wir seit Beginn der 90er Jahre eine wachsende Literatur über »Sozialmanagement«
(
Müller-Schöll,
Priepke
1991;
Brückner
1992 u. a.). Einschlägige Seminare, die explizit als »Sozialmanagement« ausgeschrieben sind, vermitteln allerdings bis heute
kaum entsprechende Qualifikationen. Auch diese Veranstaltungen erschöpfen sich vielfach in der Auseinandersetzung mit individuellen
und interaktiven Phänomenen. Genuin berufliche Fragestellungen, wie etwa ein Kündigungs- oder ein Personalauswahlgespräch
zu führen ist, stellen nur selten zentrale Themen dar. Und noch seltener geht es um Fragen, wie das Management einer Human
Service Organization in normativer und in ethischer Hinsicht mit der Aufgabenstellung kompatibel zu gestalten wäre.
Derartige Qualifikationen zu erwerben erweist sich aber derzeit als bitter nötig. Angesichts gesamtgesellschaftlicher ökonomischer
Krisen müssen nämlich auch Sozialmanager lernen, gut zu haushalten, also mit wenig Mitteln möglichst hohe Effekte zu erzielen.
Und sie müssen analog zu Wirtschaftsbetrieben lernen, sich auf einem hoch konkurrenten Markt zu bewähren; denn in den konjunkturellen
Blütezeiten der 80er Jahre wurde ja eine große Zahl vergleichbarer sozialer Dienstleistungssysteme gegründet, die auch in
Zeiten der Rezession möglichst alle überleben wollen. Die aktuelle Situation erfordert hier
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