Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
möglichst unvoreingenommen beantworten. Das bedeutet, er begleitet Klienten idealerweise
frei von Ideologien und zunächst auch ohne jede theoretische Voreingenommenheit.
|189| Derartige Positionen spiegeln eine »ideale Dialoghaltung« wider, wie sie von der kommunikativen Ethik (
Apel
et al. 1984 u. a.) gefordert wird. Bei professionellen Interaktionen handelt es sich aber um »Sonderfälle von Dialogen« (
Habermas
1981). Sie müssen seitens des Professionellen immer ein gewisses Maß an Planmäßigkeit einschließen; denn der Professionelle
hat ja die Aufgabe, die Situation nach fachlichen Gesichtspunkten zu strukturieren, damit sich der Klient entsprechend verändern
kann. Eine solche Intention erfordert trotz maximaler Bereitschaft zu wertschätzenden Subjekt-Subjekt-Relationen seitens Professioneller
immer dosierte Formen von Asymmetrie (
Strasser
1962), Lenkung und reflektierter Zurückhaltung. So muss der Interaktionsstil des Coach sorgsam zwischen einer idealen Dialoghaltung
und einigen professionellen Stilkomponenten variieren.
3.2 Zentrale Komponenten des Interaktionsstils
Der Interaktionsstils lässt sich durch vier interaktive Komponenten präzisieren: Wertschätzung, Symmetrie versus Asymmetrie,
Direktivität versus Non-Direktivität und Authentizität versus Zurückhaltung. Maximale Wertschätzung eines Coach sollte eine
grundlegende Konstante darstellen. Die anderen Komponenten sind jedoch als Dimensionen zu begreifen, d. h. sie müssen je nach
dem Stadium des Prozesses, nach der jeweiligen Thematik und dem jeweiligen Veränderungsziel sorgsam variiert werden.
Die Konstante »Wertschätzung«
»Wertschätzung seitens des Coach sollte eine grundlegende Voraussetzung jeder Beratung darstellen.« Was ich hier so leichthin
formuliere, scheint keineswegs selbstverständlich zu sein; denn in der einschlägigen Literatur finden wir immer wieder Auseinandersetzungen
mit dieser Komponente von Interaktionsstilen. Sie begegnen uns in therapeutischen Publikationen ebenso wie in der Führungsstildebatte.
Die Autoren verhandeln im Allgemeinen »Wertschätzung« in Relation zu ihrem Gegenpol »Geringschätzung«. Und sie beschreiben
meistens Phänomene, die sich weniger offensichtlich, als vielmehr unterschwellig aktualisieren. Die Plädoyers für wertschätzende
Haltungen stehen entweder auf einem anthropologischen |190| oder auf einem pragmatischen Hintergrund. Hier seien einige der bekanntesten referiert.
Rogers
(1973) und
Tausch
(1973) postulieren auf der Basis einer anthropologischen Sollensvorstellung für ihre
»Gesprächspsychotherapie
«, dass jeder Therapeut seinen Klienten eine maximale Wertschätzung entgegenbringen müsse. Nur in einem solchem Fall lernten
die Klienten, sich selbst zu akzeptieren und nur dann autonom zu denken wie zu handeln. Auch nuancierte Formen von Geringschätzung
seitens des Therapeuten würden solche Prozesse behindern oder sogar gegenläufige Effekte erzeugen.
Eine ähnliche, allerdings funktionalere Perspektive entfalten
Berne
(1964) und
Harris
(1973) in ihrer
»Transaktionalanalyse«
. Ein Therapeut oder jeder andere Interaktionspartner, der seinem Gegenüber signalisiert, »du bist nicht o. k.«, erzeugt ungünstige
Effekte von Trotz oder Abgeschlagenheit. Er evoziert regelmäßig alte Szenen »des Kindes im Erwachsenen«, wo dieses von relevanten
Bezugspersonen gescholten, bestraft, ausgegrenzt oder in anderer Weise negativiert wurde. Eine grundlegende Voraussetzung
jeder gelungenen Interaktion und jeder gelungenen Psychotherapie sind deshalb durchgängige »Du-bist-o. k.«-Signale.
In der Führungsstildebatte wurden besonders die Kategorien der »Theorie X« und der »Theorie Y« von
McGregor
(1971) bekannt. Dieser Autor postuliert, dass Führungskräfte für sie selbst oft unbemerkt stereotype Vorstellungen über ihre
Mitarbeiter transportieren. Diese Stereotype färben ihre gesamte Führungshaltung im Sinne von »Wertschätzung« oder »Geringschätzung«
ein. Manager, die der »Theorie X« folgen, unterstellen ihren Untergebenen, dass sie Arbeit lästig finden und meiden. Dementsprechend
meinen sie, Mitarbeiter antreiben, kontrollieren und gängeln zu müssen. Es steht für solche Führungskräfte außer Frage, dass
Unterstellte sich am liebsten jeder Verantwortung entziehen. Manager dagegen, die »Theorie Y« folgen, antizipieren, dass Menschen
in ihrer Arbeit durchaus sinnstiftende Möglichkeiten aktualisieren
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