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Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung

Titel: Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Schreyoegg
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auch erst auf diese Weise neu erworbene Deutungsmuster dauerhaft in die
     bisherige Horizontstruktur von Klienten integrieren (
Cohn
1975).
    Umstrukturierung von Deutungs- und Handlungsmustern
    Wenn Coaching die Umstrukturierung von Mustern anstrebt, ist persönliche Teilhabe von Klienten unabdingbar. Bei Umstrukturierungen
     handelt es sich um Revisionen bisheriger Muster, die in der Regel unhinterfragt, also wie selbstverständlich immer wieder
     aktualisiert werden. Das sind |184| dann festverankerte, zumeist vorbewusste
Sinnkategorien
, die tief eingeschliffene Handlungsweisen nach sich ziehen. Derartige Muster gehören als Wissensbestand (
Berger, Luckmann
1966) zur Grundausstattung eines jeden Menschen. Sie werden im Verlauf der individuellen Sozialisation in kulturellen und
     subkulturellen Kontexten erworben. Sie garantieren dem Einzelnen spontane Handlungssicherheit in eben diesem Ambiente. In
     neuen Situationen erweisen sich aber manche selbstverständlichen Gewissheiten und das mit ihnen einhergehende Handeln als
     hochgradig dysfunktional.
     
    In den ersten Jahren nach der Wende war immer wieder die Rede vom »Missverstehen« zwischen »Ossis« und »Wessis«. So stellte
     es z. B. in den ersten Jahren nach Öffnung der Mauer keinen Einzelfall dar, wenn Facharbeiter aus der ehemaligen DDR, die
     nun im »Westen« tätig waren, sich in ihrem Arbeitstempo und in ihrer Arbeitshaltung darauf einstellten, dass »ja bald keine
     Einbauteile« mehr kommen. Die Planwirtschaft hatte eine spezifische Arbeitshaltung erzeugt, bei der Arbeiter davon ausgehen
     mussten, dass nach einer Phase intensiver »Maloche«, bei der man auch Auszeichnungen und Preise gewinnen konnte, eine lange
     Ruheperiode einkehren wird. Durch die kontinuierlichen Lieferbedingungen im Westen, die keinerlei Pausen mehr verhießen, wurden
     solche Facharbeiter aus Sicht ihrer westlichen Arbeitgeber zunächst oft überraschend stark demotiviert.
     
    Dysfunktionale Gewissheiten hatten wir auch schon am Beispiel des Managers und seiner Sekretärin sowie am Beispiel der Leiterin
     einer therapeutischen Einrichtung kennen gelernt. Beide aktualisierten Deutungs und Handlungsmuster, die ihren jeweiligen
     beruflichen Sinnsystemen aus den jeweiligen Organisationskulturen entsprachen. In neuen Situationen erwiesen sie sich für
     sie aber als untauglich.
    In vielen Fällen erweisen sich organisationskulturelle Muster allerdings nicht nur als problematisch für Einzelne, sondern
     als Gefährdung für ein Gesamtsystem (
Schein
1986).
     
    So wurde in einem Unternehmen ein Berater für Team-Coaching des Führungskaders engagiert, weil die Rate von Krankheiten bei
     den Mitarbeitern bestandsbedrohliche Ausmaße angenommen hatte. Schon im Verlauf der ersten beiden Sitzungen fiel dem Berater
     auf, dass die Führungskräfte in einem ausgesprochen abfälligen Ton von allen Mitarbeitern sprachen. Sie unterstellten jedem
     von ihnen, dass sie »nachlässig«, »faul«, »nur an ihrer Freizeit interessiert« seien usw. Als er seinen Eindruck artikulierte,
     begannen sie, viele abfällige Geschichten über »Tricks« und »Unarten« des Personals zu berichten. Bei den Führungskräften |185| hatte sich eine kollektive Idee vom »Mitarbeiter als Feind« festgesetzt, die der Berater trotz aller seiner Bemühungen nur
     mildern konnte. Erst als der »Patriarch« des Familienbetriebes überraschend verstarb und einer seiner Söhne die Gesamtleitung
     übernahm, gelang es dem Berater langsam, die negativistischen Perspektiven gegenüber den Mitarbeitern zu lockern. Eine zentrale
     Voraussetzung für die Veränderung war eine gemeinsame Analyse der historischen Entwicklung der Firma. Jetzt stellte sich heraus,
     dass der Firmengründer seinen Betrieb im Dritten Reich mit »Fremdarbeitern« aufgebaut hatte. Diese wurden immer als Quasi-Gefangene
     behandelt. Als die Führungskräfte ihre Perspektiven von den Mitarbeitern langsam änderten, reduzierte sich auf »geheimnisvolle«
     Weise auch die Krankheitsrate.
     
    Dieses Beispiel zeigt, wie schwer gerade kollektive Sinnsysteme, hier Organisationskulturen, zu verändern sind. In vielen
     Fällen lassen sie sich erst in Konfrontation mit existenziellen Notständen modifizieren bzw. umstrukturieren.
    Menschen partizipieren allerdings nicht nur an kollektiv gebildeten Interpretationsschemata, sie entwickeln im Verlauf ihres
Sozialisationsprozesses
auch sehr spezifische individuelle Muster. Wie die psychoanalytische

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