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Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung

Titel: Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Schreyoegg
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Literatur lehrt, dienen sie schon in der primären Sozialisation
     zur existenziellen Sicherung. Gerade sehr früh gebildete Sinnsysteme, insbesondere wenn ihnen traumatische Erfahrungen zugrunde
     liegen, erweisen sich als außerordentlich durchschlagend für späteres Handeln und als besonders resistent gegenüber Veränderungen.
     So geht es beim Einzel-Coaching gar nicht selten um Fragestellungen, die sich bei eingehender Rekonstruktion als Überlagerung
     durch Reste aus frühkindlichen Stadien erweisen.
     
    Die Filialleiterin einer Fast-Food-Kette wurde von ihren Vorgesetzten immer wieder gerügt, dass sie den Mitarbeitern gegenüber
     bei weitem zu nachsichtig sei. Sie springe zu häufig für sie ein, dulde ihre Nachlässigkeiten, ihr Zuspätkommen usw. Anlässlich
     einer Rekonstruktion stellte sich heraus, dass die Nachsicht nicht für alle Mitarbeiter in der gleichen Weise galt. Sie richtete
     sich nur auf die männlichen Mitarbeiter, während die Frauen oft eher überfordert wurden. Am Beispiel eines jungen Mannes fiel
     der Filialleiterin nun selbst auf, dass er übermäßige Gefühle von Beschützenwollen in ihr aktualisierte. Als sie derartigen
     Gefühlen umfassender nachging, merkte sie, dass sie dazu neigte, die jungen Männer als ihre »kleinen Brüder« zu adoptieren.
     Da ihre Mutter bald nach der Geburt von zwei Zwillingsbrüdern chronisch erkrankte, musste sie für die zwei Jahre jüngeren
     und auch oft kränkelnden Brüder Mutterfunktionen übernehmen. In der Beratungssituation erlebte sie noch einmal die unmäßige
     Überforderung durch |186| die damalige Situation mit all ihren physischen und psychischen Konsequenzen. Sie erlebte aber auch ihren Stolz, so viele
     Dinge wie eine »gute Mutti« gemeistert zu haben. Dieses Gefühlskonglomerat hatte sie fixiert auf die Rolle, eine »überfürsorgliche
     Mutter für kleine Jungen« zu sein. Und diese Haltung dehnte sie nun unbewusst auf alle jüngeren Männer aus, d. h. sie verwechselte
     sie mit ihren Brüdern. Diese beuteten sie aber gar nicht selten als »ewig duldsame Mutti-Vorgesetzte« aus. Erst im Verlauf
     eines längeren Prozesses lernte die Filialleiterin zu »entwechseln«, d. h. ihre männlichen Mitarbeiter genauer wahrzunehmen
     und bei ihnen je nach ihrer Leistungsfähigkeit und -bereitschaft jeweils angemessen zu intervenieren.
     
    In diesem und vergleichbaren Beispielen lernen Coaching-Klienten, bisherige Selbstverständlichkeiten im Deuten und Handeln
     situationsangemessen zu revidieren. Zentrale Voraussetzung für derartige Veränderungen ist zunächst die Analyse der Ursprungssituationen,
     in denen die Muster gebildet wurden. Die Führungskraft der »analytischen Projektkultur«, die Leiterin der therapeutischen
     Einrichtung und das Führungskader des Familienbetriebes bezogen ihre aktuell dysfunktionalen Sinnsysteme primär aus beruflichen
     Kontexten. Bei der Filialleiterin dagegen zeigte sich, dass sie aus weit vor dem Beruf liegenden Erfahrungen resultierten.
     Im Zuge solcher Analysen sollte auch jeweils erarbeitet werden, mit welchen objektiven Bedingungen, aber auch Gefühlen und
     Empfindungen die Entstehung der Ursprungsmuster einherging. Erst auf diese Weise gelingt es nämlich Klienten, die damalige
     Bedeutung der alten Muster zu erfassen. Das aber ist eine Voraussetzung dafür, zu den Mustern eine
exzentrische Position
einzunehmen bzw. diese Muster als eine mögliche Form der Lebensbewältigung unter vielen zu erfahren.
    In einem nächsten Schritt ist dann zu ermitteln, welche der bislang erworbenen Interpretationsmuster und Handlungsstrategien
     sich in der aktuellen Situation als dysfunktional erweisen und welche angemessener wären. Gerade Fragen von Situationsangemessenheit
     lassen sich selbstverständlich nie objektiv beantworten. Sie können aber als vorläufige Antworten im Verlauf von Dialogen
     zwischen Coach und Klient ausgehandelt werden. In den allermeisten Fällen ist hierfür auch ein
Probehandeln
nötig, d. h. ein Experimentieren mit verschiedenen Handlungsformen, denen auch unterschiedliche Situationsinterpretationen
     zugrunde liegen.
    |187| Erweiterung von Handlungsmustern
    Die Anleitung zum »Probehandeln« stellt einen zentralen Wirkungsmechanismus dieses Coaching-Ansatzes dar. Klienten finden
     hier nicht nur Unterstützung, alte Aktionsmuster zugunsten neuer zu korrigieren, sondern auch ihr Handlungsrepertoire generell
     zu erweitern. Sie werden hierbei gebeten, sich eine »typische«

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