Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
können, oft auch ihre Arbeit verantwortlich ausgestalten
und dabei gelegentlich beträchtliche Maße an Kreativität realisieren. Vorgesetzte, die sich an »Theorie X« orientieren, steuern
ihre Mitarbeiter erwartungsgemäß als »Faulpelze« ein. Führungskräfte dagegen, die »Theorie Y« folgen, entwickeln in der Regel
eine Interaktionsdynamik, wo Mitarbeiter zu großen Teilen selbstverantwortlich und selbstgestaltend handeln (
Nagel
1988).
|191| Anhand dieser und vergleichbarer Ansätze wird deutlich, dass abfällige Haltungen, selbst wenn sie unterschwellig und kaum
wahrnehmbar sind, die Selbstgestaltungspotenziale von Menschen einschränken. So scheint es nicht nur aus anthropologischer,
sondern auch aus pragmatischer Sicht geboten, im Coaching einen maximal wertschätzenden Interaktionsstil zu aktualisieren.
Nun stellt sich jedoch wie bei allen derartigen Sollensanforderungen eine solche Haltung nicht immer spontan ein. In manchen
Fällen ergibt sie sich im Verlauf eines Erstkontaktes, in anderen aber auch beim zweiten Gespräch nicht. Dann sollte sich
der Coach so ehrlich wie möglich eingestehen, dass er diesem Klienten gegenüber keine wertschätzende Haltung einnehmen kann
und dementsprechend auch nicht in der Lage ist, ihn durch Beratung zu unterstützen.
Die Dimension Symmetrie/Asymmetrie
Diese Dimension bezeichnet das Ausmaß, in dem sich Coach und Klient gleichberechtigt gegenüberstehen. Im Gegensatz zum Merkmal
»Wertschätzung« sollte dieses je nach dem Stadium der Beratung, nach der aktuellen Thematik und nach dem jeweiligen Veränderungsziel
sorgsam variiert werden.
In den ersten Stadien einer Sitzung begegnen sich Coach und Klient meistens relativ symmetrisch. Der Klient breitet seine
berufliche Thematik aus, der Coach hört aufmerksam zu. Im Verlauf von Suchprozessen, bei Rekonstruktionen der Thematik, entsteht
aber im Prinzip immer eine Asymmetrie zuungunsten des Coach. Berater müssen sich nämlich auch bei ausgeprägtester Feldkompetenz
fachliche Besonderheiten vom Klienten erklären lassen. Sie müssen strukturelle Bedingungen, personelle Besonderheiten usw.
erfragen, sich also belehren lassen, um die gerade thematisierte Situation zu erfassen. Am Endpunkt von Rekonstruktionen,
bei der Definition des Problems, stehen sie sich dann wieder als symmetrische Gesprächspartner gegenüber. In diesem Stadium
findet meistens ein Aushandlungsprozess darüber statt, was im Coaching weiter bearbeitet werden soll.
Bei gezielter Veränderungsarbeit variiert die Dimension Symmetrie/ Asymmetrie nach der Art der angestrebten Veränderung. Wenn
es um die Erweiterung fachlicher Deutungsmuster geht, stehen sich die Interaktionspartner am symmetrischsten gegenüber. Im
Rahmen eines überwiegend |192| rationalen Dialoges bringen beide ihre fachlichen Interpretationen ein bzw. tauschen sie aus.
Bei übungszentrierter Arbeit, also bei der Korrektur und Erweiterung von Handlungsmustern, schlägt der Coach nicht nur methodische
Maßnahmen vor, er strukturiert auch die Durchführung. In diesem Stadium gemeinsamer Arbeit fungieren also Berater deutlich
in einer Führungsposition. Besonders bei der Korrektur von Deutungs- und Handlungsmustern, die prärationale Bereiche von Klienten
berühren, hat der Coach sequenzenweise eine klare Führung zu übernehmen. Durch die bei solchen Arbeiten regelmäßig auftretende
Regression reduziert sich ja die Selbstkontrolle von Klienten. Sie muss durch eine situative Strukturierung des Coach kompensiert
werden.
Die aus regressiven Arbeitssequenzen resultierende Asymmetrie ist aber nur punktuell und kurzfristig. Am Ende jeder Sitzung,
wenn das Erarbeitete noch einmal strukturiert wird, ist wieder weitgehend Symmetrie gegeben. Coach und Klient treten sich
wieder in der Position fachlich kompetenter Gesprächspartner gegenüber.
Die Applikation jeder methodischen Maßnahme und sogar die Verwendung von Theorie ist idealerweise immer nur ein Angebot des
Coach, auf das der Klient eingehen kann oder nicht. So stellt auch eine methodisch oder theoretisch basierte Asymmetrie immer
nur ein vereinbarungsgemäßes Phänomen dar.
Der Coach sollte seine Vorschläge für bestimmte methodische Maßnahmen möglichst schon sprachlich als Angebote kenntlich machen.
Seine methodischen Interventionen kann er z. B. mit folgenden Sentenzen einleiten: »Ich schlage Ihnen vor, dass Sie sich die
Situation noch einmal möglichst
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