Cobra
Blick war hart, abschätzend. »Wie lange müssen Sie hierbleiben?«
»Wrey meinte, drei bis fünf Tage oder länger. Aber er ist bereits nach Asgard abgeflogen, und es lässt sich unmöglich sagen, was das Komitee unternimmt, wenn er dort berichtet, wir seien angehalten und von den Trofts geentert worden.«
»Was meinen Sie, werden sie den Krieg sofort erklären?«
»Sagen Sie es mir – Sie kennen sich in der gegenwärtigen Politik des Imperiums doch bestimmt besser aus als ich.«
Danice biss sich sanft auf die Lippen, und eine volle Minute lang war das Summen ihrer Sonde das einzige Geräusch in der Zelle. Zweimal hielt sie inne, um das Instrument neu einzustellen, und Jonny bemerkte, wie sich ein zunehmend besorgter Ausdruck auf ihrem Gesicht breitmachte. »Also gut«, murmelte sie plötzlich. »Wir machen es jetzt gleich. Ich werde eine mögliche Erweiterung in Ihrer Leberarterie diagnostizieren – also müssen wir Sie natürlich für eine genauere Untersuchung ins Krankenhaus bringen. Sie tun nichts weiter, als auf Ihr Stichwort hin Ihre Rolle zu spielen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, schaltete sie das Instrument aus und rief nach dem Captain der Wachmannschaft.
Der Captain reagierte nicht übermäßig begeistert auf den Vorschlag, ins Krankenhaus zu fahren, doch aus seinem Tonfall und seinen besorgten Blicken ging eindeutig hervor, dass er den Cobra als wichtigen Gefangenen betrachtete. Kaum fünfzehn Minuten später fuhren Jonny und Danice unter schwerer Bewachung durch die Dämmerung zum neuesten und bestausgerüsteten Krankenhaus der Stadt.
Seine letzte Erfahrung mit der medizinischen Versorgung im Zentrum des Imperiums hatte Jonny kurz vor seinem Aufbruch nach Aventine gemacht, daher war er beeindruckt, wie sehr sich die Methoden verfeinert hatten und wie sehr die Leistungsfähigkeit der Apparate in der Zwischenzeit gestiegen war. Mehrschicht- und Echtzeitholografien seines Körpers waren möglich, angefangen von vierfacher Verkleinerung bis hin zu zwanzigtausendfacher Vergrößerung, inklusive Hervorhebung struktureller und chemikalischer Einzelheiten. Danice bediente die Apparate
mit geübtem Geschick, ortete die angebliche Arterienerweiterung und stellte sie so deutlich dar, dass sogar Jonny sie auf der Holografie erkennen konnte.
»Wir werden operieren müssen«, sagte Danice an den rangältesten Wachtposten gewandt, der sie begleitet hatte. »Ich schlage vor, Sie bitten Ihre Vorgesetzten um Anweisungen und stellen fest, ob man einen speziellen Operateur bevorzugt, und so weiter. In der Zwischenzeit werde ich ihm die Narkose verabreichen und ihm eine blutdrucksenkende Spritze geben, um den Druck in der Gefäßerweiterung zu mindern.«
Der Wachtposten nickte und kramte umständlich sein Fon hervor. Ein Schwebetisch, der unangenehmerweise einem Sarg mit einer langen, bis zum Boden reichenden Schürze glich, wurde heraufgebracht. Jonny wurde daraufgelegt und festgeschnallt, und Danice entnahm einem an der Seite angebrachten Schränkchen einen Hyposprayer und zwei Phiolen. Nachdem sie deren Inhalt Jonny in den Arm injiziert hatte, legte sie den Hyposprayer wieder zurück und holte eine Sauerstoffmaske hervor. »Wozu ist das?«, fragte einer der Posten, als sie das milchige Plastik über Jonnys Gesicht streifte.
»Er benötigt eine leicht erhöhte Sauerstoffzufuhr, um den gesenkten Blutdruck auszugleichen«, sagte sie. »Welcher OP, Pfleger?«
»Drei-null-sieben«, sagte der Mann, der den Schwebetisch hereingeschoben hatte. »Wenn Sie jetzt bitte alle zur Seite treten würden … danke.«
Mit Danice neben ihm wurde Jonny hinaus in das Gewirr von Krankenhausgängen geschoben, wo er schließlich vor OP drei-null-sieben eintraf, dessen Ziffern er durch die Maske kaum erkennen konnte. »Sie warten hier, bis er versorgt ist«, teilte Danice den Posten kurz angebunden mit. »Für Zuschauer ist dort drinnen kein Platz.«
Jonny wurde in eine keksschachtelgroße Nische neben einem Bett geschoben. Danice und der Pfleger traten auf die andere Seite seines Tisches – die zwischen den Posten und der Tür – und packten zu.
Dann kippte er herum und befand sich in völliger Dunkelheit.
Das Ganze kam so unerwartet, dass es mehrere Augenblicke dauerte, bis Jonny begriff, was genau geschehen war. Offenbar hatte die flache Oberseite des Schwebetisches eine halbe Drehung um ihre Längsachse gemacht, wodurch er in einem Hohlraum im oberen Teil des Tisches verschwunden war. Über sich vernahm er schwach die
Weitere Kostenlose Bücher