Coconut Caye - Insel der Lust
sie erkannt, dass Raymond Alexander Coffey aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken war.
Er hatte ihre kleine Welt auf den Kopf gestellt, und das machte ihr Angst. Er sah Dinge in ihr, die sie selbst nie gesehen hatte. Es war zu viel für sie gewesen, innerhalb einer Nacht ihre Unschuld zu verlieren und vollkommen neue Gefühle zu entdecken. Deshalb war sie damals auch erleichtert, als er ihr erzählte, er müsse am nächsten Tag zurück aufs College. Ebenso wie sie froh war, im darauffolgenden Monat nach Austin zu gehen.
Was Ray ihr gab, hatte sie schlicht überwältigt. Er hatte ihr erschüttertes Selbstvertrauen gestärkt, sie aufgerichtet und ihr völlig neue Seiten an sich aufgezeigt. Aber sie konnte nicht plötzlich ihr komplettes Selbstbild über den Haufen werfen. Sie konnte ihm nicht glauben, was sie sich selbst nie geglaubt hätte. Daher hatte sie die Erlebnisse dieser Nacht lange erfolgreich verdrängt.
Und nun war er zurück. Sydney schloss für einen Moment die Augen und schüttelte den Kopf. Inzwischen waren acht Jahre vergangen, in denen sie mit sich allein gewesen war. Zeit genug, um zu erkennen, dass die Liebe zu Ray nichts ändern konnte. An erster Stelle musste ihre Arbeit stehen.
Sollte sie ihre Karriere aufs Spiel setzen, würde sie damit alle Menschen um sie herum enttäuschen – vor allem sich selbst.
Ray hatte sie im ganzen Haus gesucht und fand sie schließlich in Nolans Arbeitszimmer. Sie hatte sich direkt nach dem Essen zurückgezogen. Bei Tisch hatte er bemerkt, dass sie kaum einen Bissen herunterbekam. Als alle zu Ende gegessen hatten, war sie aufgestanden und hatte nicht einmal wie sonst mit abgeräumt.
Zu den Tischgesprächen hatte sie zwar gelächelt, doch er hätte schwören können, dass sie überhaupt nicht zuhörte. Das sah er an ihrem Blick, der abwesend und nachdenklich wirkte. Und dieser Blick gefiel ihm ganz und gar nicht. Ihr Lächeln war reine Höflichkeit gewesen. Darin war sie schließlich Expertin.
Wie sie ebenfalls in einigen anderen Dingen Expertin war, die für die meisten Männer zu den wichtigsten im Leben zählten. Der Sex mit ihr war unbeschreiblich. Ray war vollkommen überwältigt gewesen.
Doch dabei war ihm nicht entgangen, dass sie etwas bedrückte. Ihr gemeinsames Erlebnis war zweifellos fantastisch für beide gewesen, und dennoch schien es sie zu belasten.
Ihn übrigens auch, wenn er ehrlich war.
Ray kannte Frauen und hatte hinreichend Betterfahrung, um zu wissen, dass Sex für gewöhnlich nicht sein ganzes Weltbild auf den Kopf stellte. Wie oft hatte er Männer verhöhnt, denen es angeblich so ging! Und nun war er in derselben lächerlichen Situation.
Ray Coffey, vom Sex besiegt.
Nur war in seinem Fall eigentlich nicht der Sex schuld, sondern Sydney. Sie allein war verantwortlich dafür, wie er sich im Augenblick fühlte.
Er ging ins Arbeitszimmer und schloss leise die Tür hinter sich. Er musste mit ihr sprechen, und dabei wollte er auf keinen Fall gestört werden. Die anderen waren nach oben auf die Dachterrasse gegangen, um am Nachthimmel nach Sternschnuppen zu suchen und den vorletzten Abend zu feiern.
Auf diese Weise hatten sie ein wenig Zeit für sich. Diesmal allerdings sollten sie sich nicht gegenseitig verführen, sondern miteinander reden.
“Sydney? Geht es dir gut?”
Sie atmete einmal tief durch, ehe sie ihm antwortete: “Ja, ich wollte nur ein wenig die Aussicht genießen und nachdenken.”
Auf der Veranda oder der Dachterrasse hätte sie eine bessere Aussicht gehabt, also musste es ihr eher ums Nachdenken gehen. Und da sie sich dafür ausgerechnet dieses Zimmer ausgesucht hatte, dachte sie wahrscheinlich an ihren Vater. “Ich vermute, es geht um Nolan.”
Sie warf ihm einen Blick über die Schulter zu und drehte sich dann ganz zu ihm um. Sie war wunderschön, eine große elegante Frau mit geschmeidigen Bewegungen. In der weiten Hose kamen ihre langen schlanken Beine besonders gut zur Geltung.
Gebannt sah er zu, wie sie sich grazil auf eine Ecke des Schreibtischs setzte. Sie zog fragend die Augenbrauen hoch, und er verspürte sofort ein seltsam starkes Bedürfnis, sie zu beschützen. Solche Regungen hatten doch eigentlich nur Männer, die Frauen als ihr Eigentum betrachteten, oder?
Seine gegenwärtige Gefühlslage brachte ihn völlig durcheinander. Anders war jedenfalls nicht zu erklären, warum er sich kopfüber ins Minenfeld stürzte, statt die Sache vorsichtig und überlegt anzugehen.
“Liest du neuerdings Gedanken?”,
Weitere Kostenlose Bücher