Coconut Caye - Insel der Lust
ihre Mutter ihr an jenem Abend vor Boom Dailys Party hatte sagen wollen. Heute, mit sechsundzwanzig Jahren, fand sie es immer noch unmöglich. Doch inzwischen betrachtete sie viele Dinge objektiver.
Das hatte sie sich zumindest eingebildet, bis Nolan sie fallen ließ. Sie hatte seine Hilfe gebraucht, und er hatte sie ihr verweigert. Er hatte sein Versprechen, ihr bei der Finanzierung von Izzy Leightons Projekt zu helfen, gebrochen und das Geld stattdessen ihrer Mutter gegeben.
Er wandte sich von Sydney ab und jener Vegas zu, die ihm vor acht Jahren eröffnet hatte, dass sie sich von ihm scheiden lassen würde. Und wie sie das gesagt hatte, klang es nicht anders, als wollte sie ihm erzählen, dass sie Karten für ein Broadway-Musical besaß.
Bis heute verursachte Sydney der Gedanke Übelkeit, dass Nolan lieber in eine Pariser Kunstgalerie investierte als in ein Hungerhilfeprojekt. Statt Izzy Leighton zu fördern, die ihren Abschluss in Ernährungswissenschaften dazu nutzen wollte, um die Not anderer Menschen zu lindern, zahlte er lieber für eine Galerie, “wie sie einer Künstlerin von Vegas Fords Rang zukommt”.
Abstrakte Ölgemälde waren ihm wichtiger als Verhungernde. Und Sydney glaubte auch zu wissen, warum er sich so entschieden hatte, was ihr die Sache umso abstoßender erscheinen ließ.
Der Mann, den sie zeitlebens auf ein Podest gestellt hatte, an dessen Vorbild sie sich immer orientiert hatte, der ihr zur Seite gestanden hatte, als sie
Girl Gear
gründete und zu einem Erfolgsunternehmen ausbaute, hatte sich verändert.
Nolan fing plötzlich an, Yogakurse zu belegen, auf Berge zu klettern und in seiner Corvette durch die Landschaft zu brausen. Er, der immer und überall erreichbar gewesen war und rund um die Uhr Geschäfte gemacht hatte, nahm nicht einmal mehr sein Handy mit, wenn er sich seinen Freizeitvergnügen widmete. Sie erkannte ihren Vater nicht wieder.
Und das machte ihr Angst. Beinahe so viel Angst wie die Erkenntnis, dass sie sich hoffnungslos in Ray Coffey verliebt hatte, ja, ihn genau genommen seit acht Jahren liebte.
Wie hatte sie so lange leugnen können, was sie für ihn empfand? War sie denn zu dumm gewesen, um zu sehen, dass ihre Fantasien weit mehr waren als bloße Teenagerschwärmereien?
Sie wusste doch, dass sie nicht dazu neigte, sich irgendwelchen Fantasien hinzugeben. Sie hätte vor Monaten erkennen müssen, wie tief ihre Gefühle für Ray waren. Ihr hätte beizeiten klar werden müssen, dass ihre Gefühle für ihn sich nicht einfach abstellen lassen würden.
Aber Gefühle konnte man eben nicht analysieren und anschließend in die Ablage packen wie Kalkulationen und Marktforschungsdaten. Und deshalb vermied sie auch normalerweise, sich mit ihren Emotionen auseinanderzusetzen. Sie ging Konflikten lieber aus dem Weg – wie damals, als sie nach dem Streit mit ihrer Mutter auf Boom Dailys Party geflohen war.
Sydney lachte leise über sich selbst. Vor acht Jahren hatte sie genau gewusst, worauf sie sich bei Ray Coffey einließ. Sie kannte seinen Ruf und war bereitwillig mit ihm mitgegangen. Wenn sie doch nur heute wüsste, woran sie mit ihm war!
Was sie in seiner Gegenwart empfand, jagte ihr Furcht ein. Seine Leidenschaft, sein Verlangen nach ihr erschreckten sie. Sie war ein Mensch, der rational dachte, aber wo blieb ihre Vernunft, wenn es um Ray ging? Und vor allem, wie wollte sie nach Houston zurückfahren und ein Unternehmen leiten, wenn sie viel lieber jede Minute mit ihm verbringen würde?
Wenn sie diesen Wahnsinn nicht bald beendete, würde sie
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unweigerlich in den Ruin reißen. Man brauchte sich nur ihren Vater anzusehen, der von heute auf morgen all seine eisernen Prinzipien über den Haufen geworfen hatte und plötzlich nur noch an sich selbst dachte. Erst baute er eine Kunstgalerie in Paris, und dann, als reichte das noch nicht, ging er sogar mit Lauren Hollister aus!
Sydney trat einen Schritt vom Fenster zurück und blickte hinaus. Sollte sie
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verlieren, hätte sie nichts mehr, worum es sich zu kämpfen lohnte. Dann wäre sie wieder die verwöhnte reiche Eiskönigin, die sie gewesen war, bevor sie zum ersten Mal mit Ray Coffey geschlafen hatte.
Diese Nacht hatte alles verändert. Während der Stunden, die sie und Ray sich liebten, hatte er sie im Arm gehalten. Er tröstete sie, als sie den egoistischen Beschluss ihrer Mutter beweinte, die Familie zu zerreißen. Er war ihr näher gewesen als irgendjemand sonst. Und am nächsten Morgen hatte
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