Code Delta
Alexander spurlos verschwunden. Alle Versuche, ihn aufzuspüren, mündeten in Sackgassen. Das Symbol auf dem Zettel war der einzige Hinweis darauf, dass der Mann überhaupt noch existierte.
Weil sie befürchteten, dass das Mädchen in großer Gefahr schwebte, hatten sie es in Fort Bragg untergebracht. So stand sie nicht nur unter dem Schutz des Schachteams, sondern auch der anderen dort stationierten Spezialeinsatzkräfte. Außer im Falle eines Angriffs mit Nuklearraketen gab es wohl keinen sichereren Ort auf Erden. Doch den Sozialbehörden von North Carolina reichte das nicht. Sie zweifelten daran, dass ein zwölfjähriges Waisenkind erfolgreich von einem Team von Delta-Agenten großgezogen werden konnte.
King ließ den Blick durch den eichengetäfelten Gerichtssaal schweifen, in dem es trocken und staubig roch. Abgesehen von einem Beamten des Jugendamts, dem Gerichtsdiener, einem Schreiber und der Richterin, war er der einzige Anwesende.
Die Richterin räusperte sich. »Mr. Sigler, wie Sie wissen, ist diese Anhörung nur eine Formalität. Sie verfügen über sehr eindrucksvolle Empfehlungen, nicht zuletzt durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Dass Ihnen das einstweilige Sorgerecht für Fiona Lane zugesprochen werden wird, steht daher außer Zweifel. Allerdings sollten Sie wissen, dass auch ich nicht ganz ohne Einflussmöglichkeiten dastehe. Sollte ich also auch nur einen Augenblick lang das Gefühl haben, dass Sie die Angelegenheit nicht ernst genug nehmen oder nicht vollständig aufrichtig sind, mache ich einen solchen Rabatz, dass Sie um Gnade winseln werden.«
Sie konnte sich kein rechtes Bild von King machen, wusste jedoch, was sein Beruf war, dass er mit dem Präsidenten auf gutem Fuß stand und ansonsten alles der Geheimhaltung unterlag.
»Ich verstehe«, sagte er.
»Gut.« Sie rückte ein paar Unterlagen auf ihrem Tisch zurecht und starrte einen Moment lang darauf hinab. »Dann werde ich Ihnen jetzt ein paar einfache Fragen stellen, und anschließend können Sie sich wieder auf den Weg machen.«
King nickte.
Die Richterin lächelte. »Wissen Sie, fast jedes Mal, wenn ich das zu einem Soldaten sage, lautet die Antwort ›Schießen Sie los‹.«
»Es freut mich, Sie in dieser Hinsicht enttäuscht zu haben.«
»Fiona Lane. Interessanter Name für eine amerikanische Ureinwohnerin.«
Das war eine Feststellung, keine Frage, doch King vermutete, dass die Frau sein Wissen über Fiona auf die Probe stellen wollte. »Viele Ureinwohner haben englische Namen angenommen. Fionas Großvater änderte den seinen in George Lane. Ihre Großmutter wurde zu Delores Lane. Ihr Vater hieß ebenfalls George und ihre Mutter Elizabeth. Fionas zweiter Vorname ist allerdings traditioneller. Apserkahar. Das bedeutet Die ein Pferd reitet. «
Die Richterin musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen und fragte: »Ist Fiona Lane in Gefahr?«
»In großer«, erwiderte er.
»Durch wen?«
»Diese Information ist geheim, Ma’am.«
»›Euer Ehren‹, danke. Befindet sie sich momentan in Sicherheit?«
»So sicher, wie es überhaupt möglich ist, Euer Ehren.«
»Ist sie bei Ihnen in Sicherheit?«
»Ich würde mein Leben geben, um ihres zu beschützen.«
Die Augen der Richterin weiteten sich ein bisschen. »Ich bin nicht sicher, ob ich Ihnen das abkaufe.«
»Das ist mein Job, Euer Ehren. Ich würde auch zu Ihrem Schutz mein Leben geben.«
Das trug ihm ein Lächeln ein. »Steht das so in Ihrer Berufsbeschreibung, Mr. Sigler? Ihr Leben zu riskieren, um andere zu retten?«
»Das ist die Pflicht jedes aktiven Soldaten.«
Sie senkte den Blick wieder auf ihre Unterlagen und murmelte ein zustimmendes, aber unverbindliches: »M-hm.« Dann fragte sie: »Und was ist mit den speziellen Bedürfnissen des Mädchens?«
Verwirrung malte sich auf Kings Gesicht. Der Begriff »spezielle Bedürfnisse« ließ ihn an Menschen mit Entwicklungsstörungen denken, und in diese Kategorie gehörte Fiona zweifellos nicht. Sie war hochintelligent, hatte ein sonniges Gemüt, und weil sie darauf bestand, an vielen der Trainingsübungen des Teams teilzunehmen, bekam sie wesentlich mehr Bewegung als eine durchschnittliche Zwölfjährige. »Verzeihung?«
Die Richterin blickte mit in den Nacken gelegten Kopf auf ein Blatt Papier, um es durch die untere Hälfte ihrer Gleitsichtbrille lesen zu können. »Hier steht, dass sie an Diabetes Typ eins leidet.«
Seit wann ist Diabetes ein spezielles Bedürfnis? , schoss es King durch den Kopf. Laut sagte
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