Codename Merlin - 3
dergleichen würde in Emerald geschehen, steigert meine Besorgnis nur noch. Bei allem Respekt für den Bischof-Vollstrecker lässt mich diese Zuversicht doch vermuten, dass es Nahrmahn gelungen ist, sämtliche besagten Vorbereitungen völlig geheim zu halten. Und das bedeutet, dass sie wahrscheinlich auch Erfolg haben werden, zumindest kurzfristig.«
Entsetzt starrte Shumay seinen Oberen an, und erneut legte Halcom seinem Privatsekretär tröstend die Hand auf die Schulter.
»Machen Sie nicht den Fehler zu glauben, Cayleb und Staynair seien alleine in ihrem Wahn, Ahlvyn«, erklärte er sanft. »Schauen Sie doch nur, wie rasch − und mit wie wenig Widerstand − das gesamte Königreich deren blasphemischem Beispiel gefolgt ist. Ich will damit nicht sagen, dass diese Verderbtheit in Emerald so weit verbreitet ist und so tief geht, wie es offensichtlich hier in Charis der Fall ist, aber die Charis-See und die Straße von Emerald sind nicht breit genug, um das Gift vollends davon abzuhalten, auch Emerald zu erreichen. Und Nahrmahn ist ein noch größerer Sklave des Strebens nach weltlicher Macht als Cayleb. Er wird der sich bietenden Gelegenheit, selbst Herr der Kirche in Emerald zu werden, keinesfalls blind gegenüberstehen, was auch immer sonst geschehen mag. Und wenn man das alles mit dem Druck verbindet, den Cayleb und Charis auf ihn ausüben werden, wie soll man dann von ihm etwas anderes erwarten als einen offenen Angriff auf die rechtmäßige Autorität von Mutter Kirche, wann immer der Augenblick ihm am vorteilhaftesten erscheinen mag?«
»Aber wenn dem so ist, Mein Lord«, gab Shumay zu bedenken, »welche Hoffnung bleibt uns dann noch?«
»Wir haben etwas viel Besseres als Hoffnung, Ahlvyn! Wir haben Gott Selbst auf unserer Seite. Oder, besser gesagt, wir sind an Seiner Seite. Was auch immer kurzfristig geschehen mag, letztendlich wird Er obsiegen. Jedes andere Ergebnis ist schlichtweg unmöglich, solange es noch Menschen gibt, die sich ihrer Verantwortung Ihm und Seiner Kirche gegenüber bewusst sind.«
Einige Sekunden lang blickte Shumay Halcom nur schweigend an. Dann nickte er − zunächst langsam und bedächtig, dann heftig und nachdrücklicher.
»Natürlich habt Ihr recht, Mein Lord. Damit kommen wir wieder zu der Frage zurück, was genau wir denn tun sollen. Ein Rückzug nach Emerald erscheint mir nun deutlich weniger reizvoll als vor Eurer Erklärung. Sollen wir Mahntayl nach Zion folgen?«
»Nein.« Halcom schüttelte den Kopf. »Auch darüber habe ich weidlich nachgedacht. Und das hat mich sogar zu dem zweiten Grund geführt, warum es nicht das Beste wäre, nach Emerald zu gehen. Wir müssen dort sein, Ahlvyn, wo wir Gott am nützlichsten sein können, und das ist genau hier, in Charis. Andere im Königreich werden uns brauchen, sogar − oder vielleicht gerade − in Tellesberg selbst. Diejenigen, die Caylebs und Staynairs Günstlinge stets als ›die Tempelgetreuen‹ bezeichnen, sind die Leute, die wir finden müssen. Sie werden jegliche Ermutigung benötigen, die sie nur erhalten können, und jede Führung, die sie finden können. Und mehr noch, sie bleiben die wahren Kinder Gottes in Charis, und als die wahre gute Herde benötigen − und verdienen − sie auch Hirten, die sich ihrer Treue und ihrem Glauben würdig erweisen.«
Wieder nickte Shumay, und Halcom hob die Hand zu einer warnenden Geste.
»Machen Sie keinen Fehler, Ahlvyn. Dies ist eine weitere Schlacht in dem entsetzlichen Krieg zwischen Langhorne und Shan-wei. Niemand von uns hat ernstlich erwartet, dass er so offen ausbrechen würde, gewiss nicht zu unseren eigenen Lebzeiten. Doch es wäre ein Verrat an unserem Glauben, würden wir uns weigern zu erkennen, dass eben dieser Krieg jetzt über uns gekommen ist. Und ebenso wie es seinerzeit Märtyrer gegeben hat, selbst in den Reihen der Erzengel, in jenem ersten Krieg gegen Shan-wei, wird es auch in diesem Kriege Märtyrer geben. Wenn wir nach Tellesberg ziehen, statt nach Zion zu segeln, dann wagen wir uns zwischen die Kiefer des Drachen selbst − und es ist sehr wohl möglich, dass diese Kiefer sich um uns schließen werden.«
»Ich verstehe, Mein Lord.« Ruhig blickte Shumay seinem Bischof in die Augen. »Und ich bin ebenso wenig wie jeder andere erpicht darauf zu sterben, selbst nicht für Gott. Aber wenn es das ist, was Gottes Plan und Mutter Kirche von uns verlangen: Welches bessere Ende könnte ein Mensch nur erstreben?«
.V.
Bei Madame Ahnzhelyk, Stadt Zion, Die
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