Codename Sparta 03 - Das Mars-Labyrinth
erschreckend wirklichen Traum befreit hatte. Linda öffnete den Mund – »Blake«, flüsterte sie. »Blake.«
Laird blickte auf sie herab, und sein Gesicht verzog sich zu einem bitteren Grinsen.
Als sie diesmal aufwachte, war niemand bei ihr. Sie lag allein mit klopfendem Herzen in der dunklen Kabine und hatte Mühe, sich an das zu erinnern, was sie gerade geträumt hatte.
2
Das strahlend weiße Schiff fiel rasch dem Mars entgegen, ein elegantes Raumschiff, verziert mit dem blauen Streifen und dem goldenen Stern der Raumkontrollbehörde. Es näherte sich mit dem Heck voraus der Marsstation; das Plasmatriebwerk war beim Erreichen des Strahlenschutzgürtels abgestellt worden, und jetzt bremste sich das Schiff mit den Chemodüsen in die Parkbahn, wobei es eine stetige Beschleunigung von einem g beibehielt.
Zum Schutz gegen die schwere Strahlung jeder Wellenlänge besaß der Rumpf keinerlei Fenster zum All. Die junge Frau stand vor dem wandgroßen Videoschirm im Wachraum und betrachtete die Aussicht vom Heck, wo der schwarze Phobos sich über die blaßorangefarbene Scheibe des Mars schob – ein Mond von nur 27 Kilometern Länge vor dem Hintergrund eines nur 6000 Kilometer entfernten Planeten. Über ein Jahrhundert lang hatte man Phobos mit dem Attribut ›kartoffelförmig‹ zu beschreiben versucht, und tatsächlich traf kein anderer Ausdruck das Wesen seiner Gestalt so treffend: fleckig, unförmig und schwarz. Phobos hätte gut und gern eine frisch aus der Vulkanerde Idahos gegrabene Knolle sein können.
Die Frau, die dieses vertraute Schauspiel betrachtete, nannte sich Sparta. Das war nicht ihr wirklicher Name. Es war eine angenommene Identität, eine Maske, die nur sie selbst kannte. Sparta war ein Geheimname, von dessen Existenz nur sie allein etwas wußte. Den meisten Menschen war sie als Ellen Troy bekannt – Inspektor Troy von der Raumkontrollbehörde. Aber auch das war nicht ihr richtiger Name. Die Menschen, die ihren wirklichen Namen kannten, hatten ihr Leben in der Hand, und die meisten von ihnen wollten sie umbringen.
Sparta wirkte auf alle, die sie nicht kannten, jung, schön und intelligent, übernatürlich begabt und geradezu vom Glück verfolgt. Tatsächlich besaß sie Kräfte, die über das normale Verständnis hinausgingen. Sie selbst kam sich zerbrechlich vor, ihrer Menschlichkeit beraubt, und psychisch ständig am Rande des Zusammenbruchs.
Jetzt war sie erneut aus der normalen Bahn ihres Lebens gerissen worden – wenn man ihr Leben überhaupt in irgendeiner Hinsicht als normal bezeichnen konnte – und sah sich ohne Vorbereitung mit einer Situation konfrontiert, die ihre gesamte Konzentration und Aufmerksamkeit verlangte. Das war eine Höchstleistung nach zwei lähmenden Wochen an Bord dieses engen Schiffes. Bei der gegenwärtigen Stellung der Planeten war ein Flug von der Erde zum Mars in zwei Wochen selbst für ein Schiff der Raumkontrollbehörde, der schnellsten Schiffsklasse im Sonnensystem, eine Rekordleistung … zwei Wochen, in denen Sparta nichts anderes zu tun hatte, als die mageren Informationen über den Fall durchzuarbeiten, der sie erwartete. Ihr Grübeln wurde von dem jungen Mann unterbrochen, der hinter ihr den Wachraum betrat. »Phobos und Deimos«, sagte er gutgelaunt. »Angst und Schrecken. Wunderbare Namen für zwei Monde.«
»Durchaus passend«, sagte sie. »Die Pferde des Streitwagens des Mars, nicht wahr?«
Er hob eine schwarze Braue über seinen grünen Augen. »Ellen, gibt es eigentlich etwas, was du nicht in deinem enzyklopädischen Gedächtnis abgespeichert hast? Genaugenommen handelt es sich bei dem fraglichen Gott um Ares – den griechischen Kriegsgott, nicht den römischen. Phobos und Deimos waren die Namen zweier seiner drei Söhne von Aphrodite, nicht die seiner Pferde.«
»Ich habe gelesen, es wären seine Pferde, und sie haben sich von Menschenfleisch ernährt.«
»Du wirfst die ganze Mythologie durcheinander. Von den menschenfressenden Pferden gab es vier, eins davon hieß auch Deimos, aber keines Phobos, und sie gehörten Diomedes. Du kennst ihn bestimmt noch aus der Ilias.«
Sie lächelte. »Wie kannst du dir das alles nur merken?«
»Weil ich versessen darauf bin. Die Ilias liebe ich so sehr, daß ich mich sogar durch Alexander Popes grauenhafte Übersetzung gequält habe.« Er erwiderte ihr Lächeln. »Eine Frau, die sich Ellen Troy nennt«, flüsterte er, »sollte sie wenigstens einmal gelesen haben.«
Blake Redfield – sein tatsächlicher
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