Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Codename: Sparta - 6 - Das Weltenschiff

Codename: Sparta - 6 - Das Weltenschiff

Titel: Codename: Sparta - 6 - Das Weltenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
Vom Netzwerk:
Rippen öffneten.
    Jeder, der zusah, bemerkte es. Diktynnas Gesichtsausdruck geriet ins Schwanken, so als sei auf einmal weniger klar, mit welcher Sorte Geschöpf sie es zu tun hatte, doch sie erholte sich recht schnell. Ihre Welt war voller Nymphen und Kobolde, die sie in Riten um Besänftigung und Beherrschung bitten mußte. Immer noch war sie der Überzeugung, daß keiner von uns ein Gott war, und deshalb glaube ich, war sie im Grunde ihres Herzens unbesorgt.
    Redfield beendete seinen Tanz fast ebenso abrupt, wie er ihn begonnen hatte. Einen Augenblick blieb er still stehen; dann beendete er den Tanz elegant mit einer tiefen Verbeugung vor dem Alten, dem Netzmacher. Obwohl ihm der Schweiß in Strömen vom Leib lief und seine Brust sich noch hob, ging er zurück zu seinem Platz zwischen Troy und mir und ließ sich mit schlichter Würde nieder, ohne ein Wort gesagt zu haben. In der Menge entstand ehrfürchtiges und anerkennendes Gemurmel.
    Diktynna blickte ihm für einen Augenblick in die Augen. Ihre Anerkennung blieb ebenso stumm wie seine Huldigung.
    Sie wandte sich Troy zu – und taxierte sie vorsichtiger als zuvor mich oder Redfield. »Aphrodite, Schaumgeborene, edle Göttin! Wir suchen in unserem Innern nach dem Grund, weswegen ihr göttlichen Freunde euch entschlossen habt, uns diese Ehre zu erweisen.« Diesmal schien sie ihre Worte ernst zu meinen. »Wir können euer Geheimnis nicht ergründen. Natürlich steht es einer Göttin durchaus an, sich zu beherrschen – bis eine Laune oder die Strategie sie dazu zwingt, einen anderen Kurs zu wählen.«
    Diktynnas Junge trat mit dem letzten Kästchen vor, um es vor Troy abzustellen. Seine schwarz umrandeten Augen waren starr und kühn auf sie gerichtet wie die eines erwachsenen Mannes. Daß er kaum mehr als ein Kind war, machte ihn paradoxerweise gefährlich.
    Ich durchkämmte mein Gehirn nach der Information – die eigentlich eher eine Hypothese darstellt – daß der junge Gott, der so oft an der Seite der kretischen Göttin dargestellt ist, mit Zeus in Verbindung gebracht wird. Manchmal auch mit Dionysos.
    Die Herausforderung in seinen umrandeten Augen wirkte in der Tat gefährlich und war sehr deutlich. Sollte Troy seinem Blick zuerst ausweichen, hätte sie dieses Spiel der starren Blicke verloren. Vielleicht war dieses Spiel nicht mit der gleichen Bürde belastet wie zu unserer Zeit, aber nach dem zu urteilen, was wir bislang gesehen hatten, war das durchaus möglich. Was mochte es andererseits bedeuten, wenn sie seinem Blick zu lange standhielt?
    Troy löste das Dilemma mühelos. Während sie ihn beobachtete, schwoll ihr Brustkorb an.
    Redfields Kiemenöffnungen waren bei seinem Tanz zu sehen gewesen, aber da er nicht durch seine Kiemen geatmet hatte, waren ihre Öffnungen geschlossen geblieben. Eine knappe Sekunde lang öffnete Troy absichtlich die klaffenden Spalten, die parallel zu ihren Schlüsselbeinen verliefen, und reckte sich.
    Der Junge aus dem Dorf blickte geradenwegs in die blutroten Körperöffnungen. Er wurde ernst, und bleich trat er schnell einen Schritt zurück. Es gelang ihm, den Kopf hochzuwerfen, bevor er seinen Platz neben der Priesterin wieder einnahm. Niemand sonst hatte gesehen, wovor er zurückgeschreckt war.
    Troy griff in das Tonkästchen und holte einen Spiegel hervor, in dessen Elfenbeingriff Blumenverzierungen geschnitzt waren, und dessen spiegelnde Oberfläche ein kreisrundes Stück polierter Bronze bildete. Sie betrachtete für einen Augenblick ihr Spiegelbild – im Licht der Flammen auf der weichen, unscharfen Bronze muß ihr Ebenbild recht schmeichelhaft ausgesehen haben – und lächelte.
    In der Zwischenzeit schaute ich die Rückseite der runden Scheibe an, die sie mir hinhielt. Nackte Götter und Göttinnen waren dort in lebendiger, ebenso eindeutig erotischer wie förmlicher Darstellung eingeritzt. In meinen Augen erinnerten sie deutlich an Picasso. Troy hielt den Spiegel in die Höhe, so daß die Leute ihn sehen konnten. Nach dem Recken ihrer Hälse und dem höflichen Gemurmel zu schließen, war das Geschenk – wie auch schon die anderen – sehr wertvoll, diesmal jedoch von niemandem aus dem Ort gefertigt. Es war ein Spiegel, ein anspruchsvoller Gegenstand, dessen Herstellung nicht nur entsprechende technische Fähigkeiten voraussetzte, sondern auch das feinfühlige Selbstwertgefühl eines Palasts oder einer Stadt. Er war mehrere hundert Jahre alt. »In diesen wunderbaren Tiefen erkenne ich jene, die vor uns kamen«,

Weitere Kostenlose Bücher