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Codename: Sparta - 6 - Das Weltenschiff

Codename: Sparta - 6 - Das Weltenschiff

Titel: Codename: Sparta - 6 - Das Weltenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
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›Fleisch‹ oder ›Wein‹ unterstreichen wollte. Aber auch ohne meinen Übersetzer begriffen wir: Diese Menschen gaben uns zu verstehen, daß wir die schönste Zerstreuung waren, die sie seit langem gehabt hatten – ein guter Grund für eine große Feier. Alles, was ich an Worten aufschnappen konnte, gab ich ins Gerät ein, während ich gleichzeitig unsere Gastgeber nach Äquivalenten fragte und so ein primitives Vokabular einer Sprache zusammenstellte, von der ich bisher nur vor langer Zeit ein paar Fragmente und ein einziges bescheidenes Schriftstück zu Gesicht bekommen hatte.
    Schließlich brachten wir zur sichtlichen Enttäuschung unserer Gastgeber keinen Bissen mehr herunter. Kurz darauf erschienen Leute mit Musikinstrumenten. Ein alter Mann zupfte eine mit Darm bespannte Leier aus Horn und Schildkrötenpanzer, jemand anders schüttelte eine Rassel, die stark einem ägyptischen Sistrum glich, und zwei junge Burschen schlugen heftig auf Trommeln aus poliertem Zedernholz ein, die mit gescheckter Haut bespannt war. Nachdem die Rhythmusgruppe sich warmgespielt hatte, vernahmen wir den Klang einer Flöte, die wie betrunken über das Zischen und Schlagen der Rasseln und Trommeln hinwegpfiff. Ein gelber Sonnenstrahl fiel in die kleine plateia, deren einen Rand die Klippe bildete. In einem Haus in der Nähe hatte man einen Vorhang beiseite gezogen, und in dem von hinten erleuchteten Rechteck des Durchgangs erschien ein fast erwachsener Junge. Er hielt eine Doppelflöte an die Lippen, und seine Finger tanzten geschwind über die Löcher.
    Wir hatten den Jungen zuvor noch nicht gesehen. Er war ungefähr fünfzehn Jahre alt, schlank, hatte schwarzes Haar und lebhafte Augen – ein wundervolles Geschöpf, gekleidet in einen schlichten Lendenschurz aus Leinen und mit einem goldenen Dolch am Gürtel. Die Leute aus dem Dorf schienen fasziniert von ihm zu sein und beobachteten ihn voller Respekt. Für einen Augenblick blieb er, umgeben von Licht, im Durchgang stehen und genoß ihre Bewunderung. Dann ging er los, ohne sein Spiel zu unterbrechen, und gesellte sich zu den anderen Musikern. Eine Erinnerung drängte sich mir auf. Ich mußte an Redfield denken, wie er aus der Dunkelheit des Mars hervorgekommen und anläßlich der Hochzeitsfeier von Bill und Marianne auf seiner Flöte aus Schilf gespielt hatte. Redfield und der Junge glichen sich sehr. Der eine war ebenso wild und gefährlich wie der andere.
    Aus demselben Haus, das – wie ich wußte –, der Schrein der Göttin sein mußte, traten jetzt vier junge Frauen. Sie trugen, anders als die anderen Frauen aus dem Dorf, mit Volants besetzte Röcke und offene Leibchen wie Diktynna, als Erinnerung an eine uralte Zivilisation. Die Frauen hakten sich unter und fingen an zu tanzen, während die Musiker noch lebhafter aufspielten.
    Die schnelle und durchdringende, dennoch ziemlich harmonische Musik schwoll auf und ab. Sie war völlig anders als alles, was ich zuvor gehört hatte, und doch schien sie immer wieder an die Musik aus einem halben Dutzend nahöstlicher Kulturen unserer Zeit erinnern zu wollen – ruhelos, unermüdlich, hypnotisch, provozierend und verschlungen zugleich.
    Die Musik wurde langsamer. Die Frauen bekamen plötzlich Gesellschaft von vier jungen Männern in derselben minimalen, uralten Aufmachung, die dieses Ritual, wie es schien, verlangte – verzierte Ledergurte, die an Hosenbeutel erinnerten, viel mehr war es nicht. Dann nahmen sich Frauen und Männer bei den Händen, bildeten einen Kreis und tanzten ein paar Minuten einen komplizierten und würdevollen Tanz. Die bemalten Augen funkelten, rote Lippen leuchteten, und schwarze Locken flogen.
    Erinnerungen bestürmten mich: in der Ilias gab es eine Passage … aber ich brachte sie nicht zusammen. Schließlich war dies nicht irgendeine festliche Zeremonie aus der Zeit der großen Paläste, sondern ein schlichter Dorftanz.
    Das Tempo nahm wieder zu, und kurz darauf rannten die Frauen davon. Jemand warf einen Lederball in den Kreis der Männer, die ihn unter Lachen und Rufen auffingen und begannen, ihn sich zuzuwerfen. Ihre Kunststücke beim Drehen und Springen, ihr Gleichgewichtssinn und die Geschicklichkeit ihrer Hände – selbst wenn sie in dem täuschenden Licht vielleicht eindrucksvoller erschienen, als sie in Wirklichkeit waren – stellten eine verblüffende, gut einstudierte Vorführung dar.
    Jetzt drängte sich die Erinnerung stärker auf. Dies war keine Szene aus der Ilias, sondern aus der

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