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Codename: Sparta - 6 - Das Weltenschiff

Codename: Sparta - 6 - Das Weltenschiff

Titel: Codename: Sparta - 6 - Das Weltenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
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sagte Troy. Sie hielt sich den Spiegel erst vors Gesicht, dann vor Diktynnas. »Göttin, du bist eins mit uns«, sagte sie. »Du und deine Begleiter und dein Volk sind eins mit uns allen.«
    Rasch erhob sie sich, und bevor Diktynna reagieren konnte, hatte sie die Priesterin bei der Hand gefaßt. Mit der anderen Hand gab sie den Musikern ein Zeichen; dann winkte sie Redfield und mir, zu ihr zu kommen – und wenige Sekunden später, so schien es, tanzten wir alle, jeder aus dem winzigen Dorf, das sich an seinen Felsturm krallte, der sich den Sternen entgegenreckte.
    Ich hatte zwar Gerüchte gehört, Troy sei Tänzerin gewesen, hatte ihnen allerdings keinen Glauben geschenkt. Ein Inspektor der Raumkontrollbehörde als Tänzerin? Doch ich hatte mich geirrt. Mir fehlen die Worte, um zu beschreiben, was ich in jener Nacht gesehen habe, aber ich weiß, daß Troy es erst schaffte, uns alle zu einem Geflecht gemeinsamer Bewegung zu verweben, in dem der Unterschied zwischen Göttern und Menschen fast völlig aufgehoben wurde – um sich dann zu einer Vorführung athletischer Eleganz aus der Gruppe zu lösen, die Redfields Demonstration zwar nicht das Geringste nahm, dennoch aber zu einer ganz anderen Ebene künstlerischen Ausdrucks gehörte. Troy war wirklich eine Schönheit.

22
    Eine Schlange kroch über mein Bein.
    Für einen Augenblick schien die Zeit stillzustehen. Das Zimmer war angefüllt von Morgenlicht, das von den grauen Steinwänden und dem festgestampften roten Erdboden zurückgeworfen wurde. Hatten sich Troy und Redfield nicht neben mir schlafen gelegt? Sie waren nirgends zu sehen. Ich hörte das leise klagende Gurren der Tauben. Ein paar von diesen schlanken, graubraunen Vögeln hatten sich in einem schmalen Fenster über den Statuen der Göttin niedergelassen. Aus irgendeiner Nische meines Gedächtnisses tauchte die Vermutung auf, das Eintreffen der Tauben sei ein Zeichen für die Anwesenheit der Göttin selbst.
    Ihr Schrein bestand aus einem einzigen niedrigen Zimmer, das von einer gedrungenen Säule in der Mitte geteilt wurde. Im hinteren Teil stand eine niedrige Bank mit zwei kurzen zylindrischen Porträts von ihr – die ihr beide nicht sehr ähnlich sahen. Die Opferstände auf dem Boden davor waren mit gewundenen Schlangen verziert.
    Die lebende Schlange, die über mein Bein kroch, kam mir riesig vor, obwohl sie vermutlich kaum länger als einen Meter war – dafür aber sehr rund und glatt. Ihre Schuppen leuchteten in herrlichem Rosa. Ich hatte mich versehentlich zwischen das Loch der Schlange in der Wand und die Vogeleier, die tagealte Seebarbe und den Teller mit Milch gelegt, den man ihr vor den Altar gestellt hatte. Sie war auf dem Weg zu ihrem Frühstück und hatte eindeutig nichts mit mir im Sinn. Offenbar schlief hier immer wieder mal jemand.
    Mir wäre lieber gewesen, man hätte mich vorgewarnt. Mich fröstelte, als die Schlange von dannen glitt.
    Das ganze Dorf wäre aufgeblieben, um dabei zu sein, wie wir uns unterhielten, doch als Diktynna uns in den Schrein geführt hatte, löste sich die Menge allmählich auf, und alle gingen nach Hause. Drinnen palaverten wir stundenlang mit der Göttin und dem Jung-Gott, sahen uns im Licht der Lehmlampen ins Gesicht und tauschten Geschichten aus, während der Mann mit der Leier, der einzige andere Anwesende im Raum, weiterspielte. Es gab jungen, herben Wein aus einem scheinbar bodenlosen Krug, der entgegen dem griechischen Brauch nicht verwässert war. Ich zeichnete alles auf, was ich hörte, jede noch so triviale Anekdote, jede wundersame Geschichte. Es dauerte nicht lange, und mein Übersetzer sprach das Hephtianische – das sogenannte Minoische – wie jemand, der auf Kreta geboren war.
    Der Leierspieler, dessen Name Tzermon lautete, erzählte uns eine Geschichte, die uns erstarren ließ. Die Geschichte handelte von Proteus, dem alten Mann des Meeres. In dieser Geschichte spielte sich ein Vorfall ab, der um Jahrhunderte näher an seiner Quelle lag, und der irgendwann einmal in die Odyssee aufgenommen werden sollte. Tzermon siedelte seine Geschichte vor der Ostküste Kretas an (Homer auf der Insel Pharos). Natürlich gab es auch ein Pharos mit einem Leuchtturm im Nildelta – der Text aber ›eine Tagereise für einen gutgebauten Segler mit einem brausenden Wind im Rücken‹ ließ Kreta wahrscheinlicher erscheinen. Wie auch immer, Menelaos und seine Mannen, die nach Verlassen des Nildeltas von der Außenwelt abgeschnitten waren, hatten verzweifelt

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