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Codewort Rothenburg

Codewort Rothenburg

Titel: Codewort Rothenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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flandrischen Bauern landete. Das Jucken hörte nicht auf. Die Prothese abzunehmen, würde helfen, aber das kam nicht infrage. Niemals entfernte er seine stets mit einem der Situation angemessenen Handschuh bekleidete Ersatzhand vor den Augen fremder Menschen. Nur Luise sah ihn ohne das fein bearbeitete Stück Holz. Ihm blieb jetzt also nur, das unangenehme Gefühl zu ignorieren.
    Das Auto eines Bestattungsunternehmens fuhr vor. Zwei in schwarze Uniformen gekleidete Männer trugen eine Wanne an die Leiche heran. Die Kollegen waren fertig.
    Rösen trat neben ihn. Er zog ein Zigarettenetui aus der Tasche und bot Daut einen Glimmstängel an. Schweigend rauchten sie zwei, drei Züge. Daut mochte Rösen. Er war ein klar denkender, zielstrebiger junger Mann. Sein Privatleben war ihm zwar aus dem Zügel gelaufen, aber was ging ihn das an. Er war gerne mit dem Kollegen zusammen, vor allem, weil er wusste, wann er zu schweigen hatte. Einem Schlesier war Schweigsamkeit nicht unbedingt in die Wiege gelegt, und so konnte der wortkarge Westfale Daut sich einbilden, Rösen rede nur deshalb so wenig, um Rücksicht auf ihn zu nehmen. Daut hasste Geplapper. Die Welt war voll von sinnlosem Geschwätz, da tat es gut zu schweigen.
    Rösen schnippte die Asche auf den Boden. »Sieht nicht nach dem S-Bahn-Mörder aus.«
    Daut nickte und zog die Luft zwischen den Zähnen ein.
    »Dann ist es also unser Fall.«

Vier

    Schwarz genoss diesen Moment jeden Tag aufs Neue. Vor allem jetzt im Frühling war es ein wunderbarer Augenblick, die Verdunkelungsrollos aus ihren Ösen zu lösen und nach oben schnappen zu lassen.
    »Es werde Licht!«
    Am liebsten wäre er durch den Raum getanzt. Er konnte sicher sein, dass außer ihm niemand in den Büros war. Die Nachtschicht hatte die Zentrale vor einer Stunde verlassen. Mit müdem Blick aus rot geränderten Augen waren die Männer nach Hause zu ihren Familien geschlurft. Sie lagen längst in ihren Betten und fanden keinen Schlaf, weil ihnen nicht aus dem Sinn ging, was sie gehört hatten. Man musste standhaft sein, um das zu überstehen. Schwarz fragte sich, ob dieser Einsatz das Eheleben seiner Männer änderte. Wahrscheinlich, sie waren doch keine Maschinen. Was mochten die Frauen über diese Wandlungen ihrer Ehegatten denken? Die meisten würden sich freuen.
    Er öffnete das Fenster. Draußen zwitscherten die Vögel. Der Tag war neu. Alles war neu, wie gerade erst erschaffen. Und er war der Schöpfer. Schwarz drehte sich einmal um die eigene Achse, um die aufkommende Euphorie im Zaum zu halten. Er durfte mit sich zufrieden sein, aber er war keineswegs gesättigt. Das hier war erst der Anfang. Sein Dienstrang als Untersturmführer war nicht das Ziel, sondern der Ausgangspunkt seiner Karriere. Da war mehr drin. Viel mehr. Schließlich war die Aktion von A bis Z seine Idee, sein Kind. Was waren sie anfangs skeptisch gewesen! Er hatte sie alle überzeugt. Nur der Brigadeführer war zu feige, die Operation alleine durchzuziehen. Er sicherte sich ab. Ganz oben. Schwarz wusste bis heute nicht, ob Heydrich letztendlich die Initialzündung gab oder doch der Reichsheini. Vielleicht auch beide. Auf jeden Fall hatten sie volle Rückendeckung. Und doch wäre es beinahe gleich am Anfang schiefgegangen. Wer konnte auch ahnen, dass es so schwer war, geeignete Mitarbeiterinnen zu finden. Monate hatten sie gesucht, ausgesiebt, als untauglich verworfen. Erneut gesucht, wieder ausgemustert. Endlich hatten sie ihre Truppe beisammen, und der Begriff traf es haargenau. Sie waren eine schlagkräftige Kampftruppe, bereit, das Äußerste zu geben. Sie kämpften auf einem besonderen Terrain, mit außergewöhnlichen, doch extrem wirkungsvollen Waffen. Ihr Gefecht war für den Sieg nicht weniger wichtig als der Einsatz der Männer an den Fronten im Norden oder Westen. Eines Tages würde man das erkennen. Schwarz drehte sich zum Schreibtisch um. Die letzte Nacht war ruhig, anscheinend war der Frühjahrsansturm vorüber. Der Begriff amüsierte ihn. Anzügliche Gedanken flogen hier förmlich durch die Luft.
    Lediglich vier Ordner lagen säuberlich aneinanderlegt auf der Arbeitsplatte. In der nächsten Stunde würde er sich einen Überblick verschaffen. Er erwartete nichts Außergewöhnliches. Über spektakuläre Erkenntnisse hätte man ihn schon in der Nacht informiert, und er hätte seinerseits den Brigadeführer angerufen. So war es vereinbart. Die gestrige Schicht hatte nur Alltagsroutine gebracht. Er schlug die Deckblätter der

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