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Codewort Rothenburg

Codewort Rothenburg

Titel: Codewort Rothenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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gab es ihn offiziell nur zwischen Oktober und März, und jetzt war Juni. In den Wintermonaten sollte jeweils am ersten Sonntag in jeder Familie statt eines opulenten Mahls ein einfaches Gericht auf den Tisch kommen, das pro Kopf nicht mehr als fünfzig Pfennig kostete. Die Differenz hatte man an das Winterhilfswerk zu spenden, deren Sammlern niemand entgehen konnte. Zu Hause auf dem Land hielt sich in den ersten Jahren kaum einer daran.
    »Sonntags kommt ein Braten auf den Tisch, da kann der Führer sagen, was er will«, hatte ihr Vater gerufen und sich demonstrativ ein großes Stück Fleisch auf den Teller geschoben. Seit sie in Berlin lebten, machten sie wegen der Kinder mit. Sie sollten in der Schule nicht erzählen, dass sich ihre Eltern über das Gerede von der Solidarität in der »Nationalsozialistischen Volksgemeinschaft« lustig machten. Axel fand das Ganze vor allem lästig, denn es bedeutete Arbeit. Vor dem Krieg standen auf dem Potsdamer Platz am Eintopfsonntag lange Tischreihen. Unter einem Transparent mit der Losung »Berlin isst heute sein Eintopfgericht« saß die Familie Goebbels in trauter Eintracht mit Schauspielern und Opernsängern. Manchmal kam sogar der Führer persönlich und löffelte gelangweilt Erbsensuppe. Dabei schwafelte er vom »Sozialismus der Tat«. Auf den Bürgersteigen liefen Beamte mit Sammelbüchsen herum, um die Gaffer zu Spenden für das Winterhilfswerk zu animieren.
    »Ich kann mir eine schönere Sonntagsbeschäftigung vorstellen«, sagte Axel jedes Mal, wenn er zum »Möhrendurcheinander für den Führer« eingeteilt wurde.
    Erna Neeb spürte Luises Unsicherheit und umfasste ihre Schultern mit dem Arm.
    »Ich möchte euch Luise vorstellen. Ich kenne sie seit ein paar Monaten und bin sicher, dass sie eine Bereicherung für unsere Treffen sein wird.«
    Luise hätte fast einen Knicks gemacht, beließ es aber zum Glück bei einem freundlichen Blick in die Runde. So machte sie sich bei all diesen Hauptstädtern nicht sofort zum Narren.
    »Hoffentlich kennt sie unsere Regeln«, dröhnte ein kräftiger Zwei-Meter-Riese, der das linke, kurze Tischende einnahm. Dabei lächelte er Luise allerdings gewinnend an, die immer noch an dem Kloß im Hals würgte und nur schweigend nickte. Ja, sie kannte die Regeln, und ihr war nicht wohl dabei, dass sie Axel nichts erzählen durfte. Erna hatte sie in den vergangenen Monaten immer wieder auf die Probe gestellt, sie nach ihrer Meinung über dieses und jenes gefragt. Zum Beispiel, was sie davon halte, dass sich Susette Lesser nicht mehr aus dem Haus traute. Luise erinnerte sich noch gut an das Gespräch. Erna hatte ihr erklärt, dass die Jüdin, die ihr Warenhaus schon vor Jahren hatte schließen müssen, das Land verlassen wollte. Kein Wunder, dachte Luise, bei den brüllenden Horden, die monatelang Tag für Tag vor ihrem Haus gestanden hatten. Als sie fragte, warum sie denn nicht auswanderte, antwortete Erna:
    »Vor zwei Jahren machte ihr ein mitfühlender Mensch ein anständiges Angebot für das Haus. Das Geld hätte gereicht, um Deutschland zu verlassen, aber man verweigerte ihr die Genehmigung zum Verkauf. Jetzt ist ihr nichts mehr geblieben. Wenn es nicht ein paar Frauen gäbe, die ihr regelmäßig etwas zu essen brächten, würde sie verhungern.«
    Als Luise spontan anbot, auch zu helfen, sah sie die Zufriedenheit in Ernas Blick. Zum Glück merkte sie nicht, wie froh Luise war, dass später nie mehr davon die Rede gewesen war.
    »Komm, hier ist noch ein Platz frei.«
    Erna schob Luise vorsichtig in Richtung Tischende.
    »Bei Werner bist du gut aufgehoben. Er ist ein sanfter Riese.«
    Kaum hatte Luise sich neben den sympathischen Mann gesetzt, begann er, sie auszufragen. Wo sie geboren sei, was sie nach Berlin getrieben habe, wie es ihr in der Stadt gefalle. Harmlose Fragen, passend zu einem sonntäglichen Mittagessen unter Freunden.
    An der Längsseite des Tisches sprang eine attraktive junge Frau in einem eleganten Kostüm auf, ging zum Wohnzimmertisch und nestelte eine Zigarette aus der Packung. Nachdem sie sie in Brand gesetzt hatte, ging sie mit ausladenden Schritten im Zimmer auf und ab. Ihr welliges, zum Bubikopf geschnittenes Haar wippte auf und nieder. Dabei sprach sie mit einer angenehmen, leicht rauchigen Stimme.
    »Dass ihr hier so ruhig sitzen könnt, wo sich endlich etwas tut! Genau heute in einer Woche beginnt das Ende dieses Spuks. Die Rote Armee wird siegen. Mag sein, es dauert ein bisschen - aber am Ende!«
    Vom anderen

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