Cold Space - Hot Love
Strifes. Eric hatte gerade in der letzten Woche eine Dokumentation darüber gesehen. Er blickte auf die Hügelkette, die das Tal begrenzte, die Sonne stand nur noch kurz über den Wipfeln der Bäume. Eric seufzte verträumt. Sie hätten noch stundenlang so gedankenversunken dastehen können, wenn ihn nicht Bijoux mit ihren Nüstern in die Seite gestoßen hätte. Mehr noch, sie schnupperte kurz an Samuels Hemd und schnappte dann nach dem Stoff.
Samuel wich zurück und brachte sich in Sicherheit vor ihren gelben, großen Zähnen. Er hatte keine Angst vor Pferden generell, doch für Bijoux hatte er sich noch nicht erweichen können. Was wohl auf Gegenseitigkeit beruhte, sie konnte ihn auch nicht leiden und hatte es ihm unlängst mit einigen Kniffen in den Arm ziemlich deutlich gezeigt.
»Biest«, knurrte Samuel und rieb sich über die noch immer blauen Stellen an seinem Arm. Bijoux war Erics neueste Erwerbung. Ihr Stammbaum tadellos und ihr Gemüt sanft, wenn sie nicht gerade auf Samuel traf. Aber vielleicht würde sich diese Abneigung auch noch legen.
»Ich reite nicht auf ihr zurück nach Hause«, Samuel setzte sich in Bewegung und wischte sich den letzten Rest Traubensaft von den Fingern.
Gezwungenermaßen ging Eric neben ihm her, Bijoux auf seiner anderen Seite am langen Zügel. »Es gibt gefülltes Hühnchen und Rosmarinkartoffeln.«
»Ah, schön.« Samuel ergriff seine freie Hand und drückte sie. Kochen war eine andere Leidenschaft von ihm geworden. Nur selten ließ er ihre Haushälterin an den Herd und dort ihre Pflicht tun. Eric blickte auf ihre verschränkten Finger und grinste breit. Es war eine so natürliche Geste, ein alltägliches Zeichen der Zuneigung zwischen Paare, doch für ihn bedeutete es so viel mehr. Wer hätte noch vor vier Jahren gedacht, dass sie einmal so ungezwungen miteinander leben konnten? »Helen soll mir endlich das Rezept für die Füllung geben. Ich bekomme sie selbst nie so hin.«
»Frag sie doch einfach noch einmal.«
»Ich habe sie schon siebzehn Mal danach gefragt.«
»Du hast mitgezählt?«
»Natürlich und jedes Mal erzählt sie mir eine Ausrede. Am häufigsten bis jetzt die Version von dem alten Familienrezept, wobei es einmal von ihrer Urgroßmutter väterlicherseits stammte, dann wieder von ihrer Großmutter mütterlicherseits.«
Eric lachte. Natürlich, so ganz ließ es sich nicht verleugnen, dass Samuel ein Observer war. Gerade an solchen Kleinigkeiten. Es steckte nun einmal in ihm, wenn er auch mittlerweile kein Auranium mehr einnahm. Er hatte einen regelrechten Entzug in einer Klinik gemacht und war dabei schrittweise davon entwöhnt worden. Seine mentalen Fähigkeiten waren nicht mehr so ausgebildet wie damals, doch noch immer überdurchschnittlich für einen Menschen.
»Hast du schon einmal daran gedacht,« er sprang einen kleinen Vorsprung hinunter und wartete bis Bijoux ihm nachgegangen war, dann schloss Samuel wieder zu ihm auf, »dass es gar kein Rezept gibt. Dass sie es jedes Mal nach Gefühl macht, das verwendet, was gerade noch im Kühlschrank oder im Keller an Zutaten vorhanden ist?«
»Unwahrscheinlich.«
Wieder lachte Eric. »Glaub mir, das ist der Grund. Ganz bestimmt.«
»So ein Vorgehen würde nicht den gleichbleibend guten Geschmack der Füllung erklären. So ein nicht-deterministisches Vorgehen kann kein Garant für ein schmackhaftes Essen sein. Was lachst du?«
Kopfschüttelnd schlang Eric einen Arm und die Hüfte seines Partners und zog ihn an seine Seite. Wieder küssten sie sich.
»Sieh mal, beim Wein gibt es auch für Vieles keine Gewissheit.«
»Ja, aber... das ist anders.«
»Nein«, beharrte Eric. »Nicht für alles gibt es Rezepte und Regeln oder vorher festgelegte Wahrscheinlichkeitsverteilungen.«
Samuel murrte, doch beließ es dabei.
Der Himmel färbte sich bereits zart rosa, als sie zum Haus zurückkamen. Samuel begleitete ihn in den Stall, während er Bijoux absattelte und striegelte. Die anderen Pferde waren von Ken und Astrid bereits versorgt worden und das Geräusch ihrer mahlenden Kiefer erfüllte die Boxen. Samuel sah kurz bei Sun vorbei, das einzige Pferd, das er von Zeit zu Zeit ritt und wobei er sich gar nicht so schlecht dabei anstellte, entgegen seiner eigenen Einschätzung. Eines musste Samuel nämlich noch lernen, dass er nicht in jeder Disziplin glänzen musste und Menschen eben ganz und gar nicht perfekt waren. Dass es so etwas wie Perfektion gar nicht gab.
Sie betraten das Haus durch
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