Colin-Saga 01 - Der Mond der Meuterer
Doch Dahak war geduldig geblieben. Tatsächlich war Dahak sogar so betont geduldig geblieben, dass MacIntyre sich bald vorkam wie ein Buschmann, der sich weigerte, zuzulassen, dass ein Missionar seine Seele in einem kleinen magischen Kasten einfinge.
Das war der Wendepunkt gewesen, so dachte er nun – der Punkt, an dem er endlich angefangen hatte, das zu akzeptieren, was hier geschah … und wie seine eigene Rolle dabei aussehen würde. Er hatte Dahaks Behandlung zugestimmt, obwohl das all seine Willenskraft erfordert hatte, selbst nachdem Dahak noch einmal betont hatte, dass er sehr viel mehr über die menschliche Physiologie wusste als jedes terranische Mediziner-Team, und es sehr, sehr viel weniger wahrscheinlich war, dass er dabei einen Fehler machte.
MacIntyres Verstand hatte das alles sehr wohl begriffen, und doch war Colin MacIntyre immens beunruhigt gewesen, als er sich in die Narkose hatte versetzen lassen, und ihm gingen düstere Gedanken durch den Kopf, die sich um einen langen Aufenthalt im Krankenbett drehten. Was das anging, hatte er falsch gelegen, denn er war schon nach wenigen Tagen wieder auf den Beinen gewesen und hatte sich kopfüber in ein Trainingsprogramm gestürzt, von dem er überrascht hatte feststellen müssen, wie nötig er es hatte.
Und doch war er der Möglichkeit, tatsächlich gar nicht mehr aufzuwachen, verdammt nahe gekommen, und die Erinnerung daran war immer noch schlimm genug, um ihm den kalten Schweiß auf die Stirn treten zu lassen. Nicht dass er irgendwelche Probleme hätte haben sollen – zumindest keine schwerwiegenden –, wenn er das Ganze gründlich durchdachte. Doch er hatte nichts genug durchdacht, hatte keine Implikationen der von Dahak vorgeschlagenen Modifikationen logisch bis zum Ende durchdacht, und das Endergebnis war eher beängstigend als wunderbar.
Als Colin zum ersten Mal die Augen wieder aufgeschlagen hatte, war ihm sein Sehvermögen außergewöhnlich gut vorgekommen, er hatte fast das Gefühl, er würde die einzelnen Sandkörner auch auf der gegenüberliegenden Seite eines Tennisplatzes auseinander halten können. Und an seinem Eindruck war auch tatsächlich etwas dran. Denn eine Konsequenz aus den von Dahak an ihm ausgeführten ›einfacheren‹ Veränderungen war, dass Colin die Brennweite seiner Augen jetzt nach Belieben verändern konnte, ganz zu schweigen davon, dass er jetzt auch sowohl im Infrarot- wie auch im Ultraviolett-Bereich zu sehen vermochte.
Dann war da noch die ›Verstärkung der Skelettmuskulatur‹. Colin war primitiv genug, angesichts der Vorstellung, seine Knochen würden mit der gleichen künstlich erzeugten Legierung verstärkt werden, aus der auch die Dahak selbst gebaut worden war, atavistisch zu erschaudern. Aus dem ›Schauder‹ jedoch war ›nacktes Entsetzen‹ geworden, als er die Realität all dieser zahlreichen ›geringfügigen‹ Veränderungen feststellte, die das Schiff an ihm vorgenommen hatte. Seine Muskeln hatten jetzt in erster Linie die Funktion, mikrometerdünne Schutzschichten aus synthetischem Gewebe zu bedienen, das widerstandsfähiger war als seine Beagle und dabei leistungsstark genug, um sein neues Skelett bis zum Äußersten zu belasten, und sein Kreislauf- und sein Atmungssystem waren ähnlichen Modifikationen unterzogen worden. Selbst seine Haut war verändert worden; denn schließlich musste sie ja zäh genug werden, um den neuen Ansprüchen zu genügen, die seine neu gewonnene Körperkraft an sie stellte. Und dennoch war dabei sein Tastsinn – tatsächlich sogar alle seine Sinne – bis zu einer fast schon unerträglichen Sensibilität gesteigert worden.
Alles zusammen waren diese ›Verbesserungen‹ zu viel gewesen. Die Maschine Dahak hatte dem Menschen Colin diese Veränderungen viel zu schnell aufgebürdet, ohne sich dessen bewusst zu sein: Denn weder dem Computer noch dem Menschen war klar gewesen, wie sehr sie sich in den Dingen unterschieden, die sie für selbstverständlich hielten.
Für Dahak waren die Veränderungen, die MacIntyre zutiefst entsetzten, nur ›geringfügige‹ Veränderungen, medizinische Routineeingriffe, kaum mehr als das, was im Vierten Imperium für einen neuen Rekruten die ›Grundausstattung‹ darstellte. Und weil es eben eine derartige Routine darstellte – und vielleicht auch, weil Dahak, so sehr er auch über einen eigenen Intellekt verfügen mochte, letztendlich eben doch eine Maschine war und damit mit dem Konzept, jederzeit ein ›Upgrade‹ zu erfahren,
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