COLLECTION BACCARA Band 0259
mich oft gefragt, wie sich die Dinge entwickelt hätten, wenn du damals geblieben wärst und Murat geheiratet hättest. Hast du dich das auch gefragt?“
„Nein.“ Nun, vielleicht schon manchmal, aber das wollte sie nicht zugeben. „Ich war viel zu jung. Und Murat auch. Die Position einer Königin stellt hohe Anforderungen. Ich bin nicht sicher, ob ich der Aufgabe gewachsen gewesen wäre.“
„Sicher. Als Königin trägt man eine große Verantwortung. Allerdings zeigen mir deine Fragen und Selbstzweifel, dass du diese Rolle bestimmt gut ausgefüllt hättest. Er hat nie geheiratet.“
Daphne entzog ihm ihre Hand. „Murat? Das ist mir nur allzu bewusst. Wenn er geheiratet hätte, wäre ich jetzt nicht eine Gefangene in diesem Harem.“
„Du weißt, dass ich auf etwas anderes hinauswollte“, meinte der König freundlich. „Du hast ebenfalls nicht geheiratet.“
„Ich habe studiert und mich um meine Karriere gekümmert“, erklärte sie eine Spur trotzig.
„Das ist keine überzeugende Rechtfertigung. Vielleicht habt ihr ja beide darauf gewartet, dass der andere den ersten Schritt macht.“
Daphne wäre am liebsten vor Empörung aufgesprungen, beherrschte sich aber im letzten Moment mit Rücksicht auf die königlichen Umgangsformen. „Ich versichere Ihnen, dass es nicht so ist. Murat hat sich mit so vielen schönen Frauen vergnügt, dass er sich wahrscheinlich gar nicht an jede Einzelne erinnern kann. Geschweige denn an eine junge Frau, die er vor zehn Jahren kannte.“
„Und heute?“ König Hassan ließ nicht locker.
„Wir kennen uns kaum“, erwiderte sie ausweichend.
„Ein ausgezeichnetes Argument. Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, das zu ändern.“ Er stand auf. „Murat wünscht diese Heirat, Daphne. Deine Eltern und ich auch. Willst du wirklich gegen die ganze Welt kämpfen?“
Sie erhob sich ebenfalls. „Ja, wenn es sein muss.“
„Vielleicht wäre es einfacher, weise nachzugeben. Ist eine Ehe mit Murat denn so abschreckend?“
„Allerdings.“ Sie sah ihr Gegenüber gespannt an. „Würden Sie mich zwingen, Ihren Sohn auch gegen meinen Willen zu heiraten?“
Er erwiderte ihren Blick ernst. „Ja, wenn es sein muss.“
Murat entdeckte Daphne im Garten. Die Sonne verschwand gerade hinter dem Horizont. Ein kühler Abendwind lag in der Luft.
Daphne saß zusammengesunken auf einer Bank. Fast sah es aus, als würde sie weinen.
Er eilte zu ihr, um sie in die Arme zu nehmen, doch sie wich vor ihm zurück. „Was willst du?“, fuhr sie ihn barsch an.
„Dich trösten.“
„Ausgerechnet du? Du bist der Grund für meinen Kummer“, gab sie wütend zurück.
„Ich bin alles, was du hast.“
„Na, großartig. Und was sagt dieser Satz über mein Leben aus?“
„Dass es wenigstens einen Menschen an deiner Seite gibt.“
Obwohl es schnell dunkel wurde, konnte Murat ihr Gesicht deutlich erkennen. Er sah, wie sich ihre Augen sorgenvoll verdunkelten. Es war, als würde die Last der ganzen Welt sie niederdrücken.
„Komm.“ Er hielt ihr die Hand hin. „Glaub mir, es geht dir gleich besser.“
„Vielleicht will ich das gar nicht.“ Dennoch stand sie auf und lehnte sich an ihn.
Murat legte ihr die Arme um die Schultern. Sie war so schmal und zierlich und trotzdem so stark. Und ihr betörender Duft, den er nie vergessen hatte …
Verlangen regte sich in ihm. Aber er spürte noch etwas anderes, als sie ihre Hände auf seinen Rücken und ihren Kopf an seine Schulter legte. Er spürte in diesem kostbaren Moment eine so komplette Übereinstimmung mit ihr, dass er erschauerte.
„Niemand will mir helfen“, klagte sie. „Ich habe alle möglichen Leute angerufen. Jeder scheint begeistert zu sein, dass wir heiraten. Keiner glaubt mir, dass ich gegen meinen Willen festgehalten werde. Und natürlich wollen alle eine Einladung zur Hochzeit.“
„Dann setz sie auf die Liste.“
Sie hob den Kopf. Tränen glitzerten in ihren Augen. „Das ist nicht das, was ich hören wollte.“
Er wusste, was sie von ihm erwartete. Dass er sie freigab. Doch das würde er nicht tun. Niemals.
„Du wirst glücklich sein als Königin“, versprach er sanft. „Mit dieser Position bekommst du eine Menge Macht.“
„Macht hat mich nie interessiert.“
„Du hattest bisher auch keine.“
„Murat, du weißt, dass es falsch ist.“
„Warum? Schließlich wirst du mich heiraten, einen Kronprinzen, und nicht irgendeinen hergelaufenen Kamelhändler.“
Halb lachend, halb schluchzend löste sie
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