Collection Baccara Band 0293
ihn bei Sonnenuntergang am Ufer treffen, damit sie zusammen von zu Hause weglaufen konnten. Käme sie nicht, würde sie ihn nie wiedersehen, kündigte Samuel an.“
„Und?“, fragte Julia ungeduldig, als Trent sich abermals unterbrach.
Er räusperte sich. „Ella fiel die Entscheidung schwer, denn sie liebte ihre Familie, doch schließlich kam sie zu dem Schluss, dass sie ohne ihren Samuel nicht leben konnte. Bis sie sich entschieden hatte, war es jedoch spät geworden. Auch weil es ihr nicht gleich gelang, sich aus dem Haus zu schleichen, war es schon Mitternacht, als sie endlich am See eintraf. Samuel war nicht da. Sie suchte ihn überall, und schließlich entdeckte sie ihn am Rand des Canyon und sah ihn gerade noch in die Tiefe springen.“
„Wie furchtbar. Aber irgendwie habe ich geahnt, dass es so ausgeht“, meinte Julia traurig. Warum mussten alle Sagen nur so grausam enden? „Bedeutet das, dass der See verhext ist?“
Trent lachte. „Keine Spur. Die Legende geht ja noch weiter. Ella setzte sich also ans Seeufer und weinte in ihrer Verzweiflung die ganze Nacht. Doch als der Morgen anbrach und sie den Kopf hob, tauchte mit einem Mal ihr Geliebter aus den Fluten auf. Er war über den See zu ihr geschwommen. So schlossen sie sich wieder in die Arme – genau an der Stelle, wo wir jetzt stehen.“
„Er ist also gar nicht gesprungen?“
„Nein. Er hatte zwar vorgehabt hinabzuspringen, ist dann aber im Dunkeln über einen Stein gestolpert, hat sich den Kopf aufgeschlagen und war eine Weile bewusstlos. So bekamen die beiden ihre zweite Chance. Und deshalb haben sie sich auch besonnen, nicht wegzulaufen, sondern sind nach Hause gegangen und haben sich tapfer zu ihrer Liebe bekannt. Schließlich hatten die Eltern ein Einsehen, und das junge Liebespaar konnte heiraten. Es hieß, dass die beiden später fünf Kinder hatten und zusammen sehr alt geworden sind.“
„Deshalb heißt er wohl auch der Schicksalssee?“
„Den Namen Destiny Lake haben die Kinder der beiden dem See gegeben, als sie von der Geschichte erfuhren.“
„Die zweite Chance“, murmelte Julia nachdenklich, während sie aufs Wasser hinausblickte. Dieses Mal machte sie sich keine Notizen, sondern konzentrierte sich darauf, die Geschichte so im Kopf zu behalten, wie Trent sie erzählt hatte, um sie später niederzuschreiben. Sie wandte sich zu ihm um und meinte: „Wenn wir wieder ins Büro kommen, habe ich eine Menge zu tun.“
„Gut, gehen wir“, antwortete er sofort.
Allmählich nahmen die Gedanken, welche Wunder Tempest West und der bezaubernde Crimson Canyon brauchten, in Julias Kopf Gestalt an.
Drei Stunden später saß Julia an ihrem Schreibtisch und förderte aus dem, was sie an diesem Tag gesehen und gehört hatte, die ersten konkreten Visionen für die Zukunft dieses einzigartigen Hotels zutage. Ihr war klar, dass Tempest West etwas ganz Besonderes darstellte. Die Anlage mit all ihren Einrichtungen und Möglichkeiten brauchte ein durchgehendes Konzept und einen komplett neuen Auftritt, am besten auch eine Neueröffnung, um eine zweite Chance zu bekommen.
Nur mit der Schönheit der Landschaft zu werben und dem Haus einen Westerntouch zu geben, das war nicht genug. Dieses war ein Ort, an dem ein elitäres, finanzkräftiges Publikum sich wohlfühlen konnte – und das nicht bloß auf der Durchreise. Voraussetzung war, dass die Gäste hier etwas fanden, das sie nirgendwo anders bekamen. Julia überlegte. Es war ein gewagter Schritt, aber Trent war kein Mann, der Risiken scheute.
Später am Nachmittag rief Julia Kimberly an, um sie zu sich zu bitten. „Hast du die Unterlagen von der Buchhaltung schon zusammen, um die ich dich gebeten hatte?“, fragte sie.
„Ich habe sie gerade abgeholt. Ich kann sie dir sofort bringen.“
Julia lehnte sich in ihrem Schreibtischsessel zurück und betrachtete auf dem Monitor ihres Computers die Homepage der Young Dreams Foundation. Ihr Vater hatte sie mit der Stiftung zusammengebracht, die ein Freund von ihm gegründet hatte, als sein Sohn schwer erkrankte. Das Kind hatte den Traum, einmal in Cape Kennedy richtige Astronauten zu treffen, und der Vater hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Daraus hatte sich nach und nach die Stiftung entwickelt, und schon nachdem Julia zum ersten Mal für die wohltätige Einrichtung arbeitete, hatte sie die Begeisterung gepackt.
In Julias Kopf formierte sich gerade eine vage Idee, als Kimberly mit einem Armvoll Ordner ins
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