Collection Baccara Band 328
aufgeschnitten.“
Schon wieder überraschte sie ihn. Er hatte einige Nachforschungen über Lucy Miller angestellt. Sie kam aus einer soliden Farmerfamilie in Kansas, hatte die staatliche Universität besucht und gute Noten erzielt. Sie arbeitete in einem Job, für den sie unterqualifiziert war, doch ihre Vorgesetzten lobten sie in den höchsten Tönen.
Das einzige Geheimnis um Lucy Miller war ein Zeitabschnitt von etwa zwei Jahren kurz nach dem Ende ihres Studiums.
„Meine Familie wird sich Sorgen machen“, sagte sie.
„Sie können keinen Kontakt zu ihr aufnehmen.“
„Nie wieder?“, fragte sie leise. „Komme ich in ein Zeugenschutzprogramm?“
„Möchten Sie das?“
Sie seufzte. „Ich hätte nichts gegen eine neue Identität. Ich habe den Namen Lucy immer gehasst. Den neuen Namen will ich mir aber selbst aussuchen.“
„Welchen würden Sie auswählen?“
„Ganz bestimmt nicht so einen idiotischen wie Casanova – obwohl er passt, so wie Sie Mrs Pfluger um den Finger gewickelt haben. Zu mir war sie meistens ziemlich gemein.“
„Casanova war nicht meine Idee. Sie können mich Bryan nennen.“ Sie hätte seinen Namen sowieso bald erfahren.
„Und Sie können mich … Lindsay nennen. Lindsay Morgan.“
„Klingt sehr anspruchsvoll. Hat der Name eine Bedeutung für Sie? Kennen Sie eine Lindsay? Oder eine Morgan?“
„Nein. Ich mag die Schauspielerin Lindsay Wagner. Sie wissen schon, die Sieben-Millionen-Dollar-Frau. Ich habe die Serie im Fernsehen gesehen. Und Morgan – ich weiß nicht. Ist mir einfach so eingefallen.“
Genau das hatte er hören wollen. „Dann also Lindsay Morgan. Gewöhnen Sie sich an den Namen.“
Oje, dachte Lucy, er meint es ernst. Sie würde tatsächlich eine neue Identität erhalten. Ein neues Leben. Einen neuen Job, ein neues Zuhause, vielleicht in einer Stadt, die so aufregend war wie New York.
Eigentlich sollte sie Angst empfinden. Skrupellose Kriminelle mit Verbindung zum internationalen Terrorismus waren in ihr Haus eingebrochen und hatten es verwanzt. Möglicherweise suchten sie jetzt gerade nach ihr mit der Absicht, sie zu töten, doch sie spürte nur gespannte Erwartung.
Bryan dagegen wirkte nervös. Irgendetwas beunruhigte ihn.
Er hatte nicht geglaubt, dass sie wirklich verfolgt wurde, und war nur zu ihrem Stadthaus gekommen, weil sie gedroht hatte, mit allen Daten zu verschwinden. Vermutlich war er überrascht gewesen, als er feststellte, dass sie recht hatte und dass die Operation tatsächlich aufgeflogen war.
Machte er sie dafür verantwortlich?
„Ich habe mich nicht verraten“, sagte sie unvermittelt. „Ich war extrem vorsichtig. Bis auf heute habe ich immer nur fünf oder höchstens zehn Minuten Daten kopiert, und das nur bei geschlossener Tür und wenn ich allein in meinem Büro war. Ich habe mit keiner Menschenseele darüber gesprochen. Nie. Und niemand kam an den Stick heran. Er steckte ständig in meinem BH.“
Er blickte zu ihr. „Wirklich? Jetzt auch?“
„Ja.“
Der Wagen schlingerte aus unersichtlichem Grund. Einen Moment zog sie in Erwägung, Bryan könnte das Lenkrad verrissen haben, weil sie ihren BH erwähnt hatte, verwarf den Gedanken aber sofort wieder.
Der Mann war ein Spion – er hatte sicherlich Dinge gesehen, die für normale Menschen unvorstellbar waren. Die Dessous einer Frau brachten ihn garantiert nicht durcheinander. Vor allem nicht ihre, die so langweilig waren, wie Unterwäsche nur sein konnte.
Es war lange her, seit etwas, das sie gesagt oder getan hatte, eine Wirkung auf das andere Geschlecht ausgeübt hatte. Das unbekümmerte Mädchen, das früher so gern flirtete, versteckte sich unter spießigen Kostümen, dicken Brillengläsern und mattbraunen Haaren. Aus gutem Grund, rief sie sich in Erinnerung.
Bryan war vermutlich nur einem Schlagloch ausgewichen.
Sie fuhren fast fünf Stunden, doch es war Juli und daher noch hell, als sie New York erreichten. Lucy war lange nicht dort gewesen und hatte ganz vergessen, wie sehr sie die quirlige Metropole liebte. New York strahlte eine Energie aus wie kaum eine andere Stadt der Welt.
„Bleiben wir in Manhattan?“, fragte sie.
„Ja.“
„Bringen Sie mich in einem Hotel unter?“
„Nein. Solange Ihre neue Identität nicht offiziell ist, will ich nirgendwo hin, wo ein Ausweis verlangt wird.“
„Ein sichere Wohnung also?“
„Die sicherste.“
Er lächelte sie flüchtig an, das erste Mal, seit sie ihn kannte. Ein Prickeln schoss durch ihren Körper. Kein
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