Collection Baccara Band 335 (German Edition)
Schock liegen.
Er wollte den Sanitätern erklären, worin sein Problem bestand. Allerdings ließ er es sein, da er sicher war, dass Pretorius eh nicht kommen würde. Auch wenn er es wollte. Das war nicht das Problem. Aber genauso, wie Justice sich nicht erklären konnte, warum ihm die Telefonnummer nicht einfiel, wusste sein Onkel nicht, woher die Angst kam, das Haus zu verlassen.
In diesem Moment begriff Justice, dass er niemanden hatte. Niemanden interessierte es, ob er am Leben war oder starb. Niemand würde sich um seinen Onkel kümmern, wenn Justice tot war. All sein Wissen würde er mit ins Grab nehmen.
Er fragte sich, wie es so weit hatte kommen können. Wann hatte er begonnen, sich von der Außenwelt abzuschotten?
In den letzten Jahren hatte er in fast vollständiger Isolation gelebt. Emotionale Bindungen waren ihm in dieser Zeit fremd gewesen. Jetzt würde er einsam sterben. Kein Angehöriger oder Freund würde ihn betrauern. Das hatte er nun davon, dass er vor der Realität geflüchtet war. Der Preis dafür war hoch.
Vor langer Zeit einmal hatte er eine Frau sehr nah an sich herangelassen. Frau? Eher ein junges Mädchen. Obwohl er versucht hatte, sie aus seiner Erinnerung zu löschen, konnte er ihren Namen bis heute nicht vergessen.
Daisy.
Sie hatte ihn gelehrt, dass es zu riskant war, einem Menschen seine Gefühle zu offenbaren. Die Erfahrung mit ihr war so einschneidend gewesen, dass er sich geschworen hatte, nie wieder einem Menschen bedingungslos zu vertrauen. Und was war nun aus ihm geworden?
„Mr St. John?“, fragte der Sanitäter. „Sollen wir jemanden kontaktieren?“
„Nein“, erwiderte Justice seufzend. Er hatte niemanden. Wenige Sekunden später verlor er das Bewusstsein.
1. KAPITEL
„Wie ist das Ergebnis des letzten Durchlaufs?“, erkundigte sich Justice.
Pretorius starrte auf den Bildschirm des Computers und verzog das Gesicht. „Basierend auf den Daten, die du mir gegeben hast, zähle ich zwölf Treffer, die eine Wahrscheinlichkeit von achtzig Prozent oder höher aufweisen.“
„Das ist alles?“
„Wenn man deine unzähligen Wünsche betrachtet, wundert es mich, dass der Computer überhaupt so viele Frauen gefunden hat. Ich frage mich noch immer, warum du Schwarzhaarige ausgeschlossen hast.“
Justice dachte gar nicht daran, sich zu rechtfertigen. „Wenn am Ende nur sechs Frauen zur Wahl stehen, muss ich mich eben damit begnügen.“
„Begnügen?“ Pretorius drehte sich mit seinem Stuhl zu Justice um und sah ihn verwundert an. „Bist du verrückt geworden? Immerhin geht es hier um deine Zukunft – und um die deiner Firma.“
Justice winkte ab. „Mach dir keine Sorgen.“
„Bist du sicher, dass du das durchziehen möchtest?“
„Ja.“
„Irgendwie bist du seit dem Unfall anders. Er hat nicht nur dein Gedächtnis geschädigt, er hat auch deinen Charakter verändert. Deine Ziele sind ganz andere als früher.“
Schnell sah Justice zu Boden. Er wollte nicht darüber sprechen. Es war ihm unangenehm.
Schweigend durchquerte er den Computerraum und nahm eine silberne, aus mehreren Teilen bestehende Kugel in die Hand. In jedem Teil war ein mathematisches Symbol eingraviert. Es handelte sich dabei um eine seiner Erfindungen, die er noch nicht veröffentlich hatte. Er nannte sie Problemator, weil er immer damit spielte, wenn er ein Problem lösen musste – was die meiste Zeit der Fall war.
Seufzend stand Pretorius auf. „Du kannst dich nicht ewig um dieses Thema drücken. Wenn wir deinen Plan in die Tat umsetzen wollen, musst du ehrlich zu mir sein.“
„Ich weiß.“ Geschickt bewegte Justice die Teile der Kugel, bis sie einen Zylinder ergaben. Doch leider hatte er es seit einem Jahr nicht mehr geschafft, einen gleichmäßigen Zylinder zu formen. Sein Unfall war nicht schuld daran. Der lag erst ein halbes Jahr zurück.
Schnell wechselte er das Thema. „Werden all diese Frauen am Symposium ‚Technik des nächsten Jahrtausends‘ teilnehmen?“
„Was für ein lächerlicher Titel“, brummte Pretorius.
„Du hast recht. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet. Werden sie anwesend sein?“
„Dafür habe ich gesorgt. Zwei wollten nicht kommen, aber ich …“ Sein Onkel zögerte. „Sagen wir, ich habe ihre Meinung geändert.“
Justice konnte sich vorstellen, wie sein Onkel das geschafft hatte. „Großartig.“
„Warum sagst du mir nicht, warum du das alles tust?“
Seufzend schüttelte Justice den Kopf. Er wusste es selbst nicht genau.
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