Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Collector

Collector

Titel: Collector Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
stählernen Frontschürze eine zwölf Meter breite Schneise durch die Ruinen zog und noch mehr Verwüstung anrichtete als die Jahrhunderte, interessierte ihn nicht. Venedigs Zeit war schon lange abgelaufen.
    Steine wurden rechts und links davongeschleudert, die letzten widerstrebenden Holzbalken, die von Salz und Hitze konserviert worden waren, barsten. Ein kleiner Schuttberg schob sich vor dem Truck auf und fiel an den Rändern zur Seite weg.
    Die sind lecker. Kris beugte sich zur Seite, um einen zweiten Schokoriegel zu greifen.
    Der Blick blieb an seiner Hand hängen. Am Ringfinger, an dem die Erinnerung aufblinkte und die Aufmerksamkeit auf sich zwang.
    Sie lebte heute an einem anderen Ort, drei Langstreckensprünge von der Erde entfernt. Bei einer anderen Frau und mit zwei adoptierten Kindern, die seiner Tochter gute Schwestern waren. Er würde Umaia gerne hassen, doch es gelang ihm nicht, obwohl sie ihm Soraya genommen hatte. Seine Kleine war drei Jahre alt - und kannte ihn nicht.
    Ich bin selbst schuld. Ob ich mir...
    Die blaue Kom-Leuchte flackerte, dann sagte eine Frauenstimme aus den Lautsprechern: »Sie sind spät, Kutscher.«
    Seine selbstquälerischen Gedanken wurden durchbrochen. Zum Glück. Kris atmete auf. »Beschweren Sie sich bei Ihren Mechanikern, Miss«, gab er mürrisch zurück, doch der Tonfall tat ihm sofort leid. Wer immer mit ihm sprach, sie konnte nichts dafür, dass sein Privatleben ein ähnlicher Trümmerhaufen war wie Venedig. »Früher waren die Schraubendreher bei Gauss schneller. Die Steuerpropeller ...«
    »Ich brauche keine Erwiderungen von Ihnen«, schnarrte sie ihn kühl an. »Sie sind zu spät und zu schnell. Es ist ja anerkennenswert, dass Sie durch Ihre Raserei versuchen, den Verzug aufzuholen, aber jetzt drosseln Sie die Geschwindigkeit, sonst rauschen Sie in meine Baustelle.«
    »Bestätigt«, gab Kris ungerührt zurück. »Ankunft in einer Minute.« Er drückte Umkehrschub auf der Konsole und lenkte leicht nach rechts, damit er neben dem Krater zum Stehen kam.
    Scheiße, sie hat Recht. Das wird eng!
    Ein Ruck lief durch das Vehikel, das durch sein Eigengewicht mit diesem Tempo einen Straßenzug echter, stabiler Häuser abreißen konnte, wenn es außer Kontrolle geriet. Was es mit Kranen, Alu-Aufbauten und Leichtcontainern anrichtete, wollte er gar nicht wissen.
    »Errechneter Bremsweg: fünfhundertdreiundvierzig Meter«, meldete der Computer nüchtern; der Autopilot verweigerte bei dieser Fahrweise jeglichen Dienst. Zwei Warnungen flackerten auf der Anzeige auf, die Kris ignorierte. Hastig tippte er auf den Knöpfen herum, schob die Finger über die Pads.
    Die Geschwindigkeit fiel. Der Truck korrigierte seinen Weg und wühlte sich weiter durch den Schutt. Aber...
    Oh, Mann, wird das enger als eng! Kris verfluchte einmal mehr den Ring an seinem Finger und die Gedanken, die er auslöste.
    Das blaue Kom-Licht erwachte erneut zum Leben. »Kutscher, was machen Sie denn da?!«, rief die Frauenstimme mit hörbarem Stress. »Sie sind immer noch zu schnell!«
    Kris sah die Menschen im Canal, die sich zu ihm gedreht hatten. Die Ersten rannten los, zwei der Hoverpanzer fuhren vorsichtshalber aus dem Weg; die starken Luftströme um sie herum drückten den Regen und den Schmutz zur Seite. »Keine Sorge. Ich lande pünktlich.« Heiliger Allvater Wotan, lass mich nicht gelogen haben.
    Ohne Rücksicht auf das Material ließ Kris die dreißig Stützen ausfahren, auf die man den Truck im Stehen senken konnte, um die Pulsatoren zu schonen. Bei knappen achtzig Stundenkilometern wirkten sie wie Fräsen und rissen den Boden auf. Dreck wirbelte meterhoch auf und wurde zu einer gewaltigen Staubfahne, die das LCV hinter sich herzog, als brenne es.
    Kris wurde in die Gurte gepresst und hatte mit der Steuerung alle Hände voll zu tun. Der Auflieger drohte auszuscheren und mit der Breitseite in die Baustelle zu fegen.
    »Errechneter Bremsweg: siebenundachtzig Meter«, meldete der Computer. »Achtung: Kollisionsalarm.«
    »Scheiße!«, rief Kris, zog die Maschine gerade und schaltete die Antigrav-Einheiten aus. Ruckartig erhielten einhundert Tonnen ihr wahres Gewicht zurück und drückten auf die Stützen, die sich in das Erdreich bohrten.
    Der Truck sackte nach unten - und stand.
    Rote Meldungen flimmerten auf den digitalen Armaturen, zwei Streben hatten sich verzogen, doch ansonsten war nichts geschehen. Der Mittelsensor der rechten Seite meldete: »Abstand zum Hindernis: 0,002 Meter«, die

Weitere Kostenlose Bücher