Colours of Love - Verloren: Roman (German Edition)
Gesicht, sondern echte Not. Offenbar befürchtet sie, dass ihr Bild in seinem jetzigen Zustand nicht genügen könnte. »Können wir denn nicht doch …«
»Ihre Zeichnung gehört übrigens zu den besonders gelungenen, Raffaella«, unterbricht Matteo sie. »So viel konnte ich schon sehen.« Das charmante Lächeln, das er ihr schenkt, und das überraschende Kompliment lassen sie erröten – und schweigen. »Und auch die anderen müssen sich keine Sorgen machen«, fügt er hinzu. »Ich weiß, warum ich Sie für diesen Kurs ausgewählt habe – jeder von Ihnen hat sehr viel Talent.«
Jetzt strahlen alle und fangen ohne weitere Proteste an, ihre Sachen zu packen. Nur die junge Schwarzhaarige, die mich anfangs so seltsam angesehen hat, hakt noch einmal nach.
»Und mein Ansatz?«, fragt sie, und ich glaube, eine Herausforderung in ihrer Stimme zu hören. Ihr Blick passt dazu, denn sie mustert Matteo auf eine fast freche Art, die so gar nicht zu dem Respekt passt, den die anderen ihm zollen.
Matteo grinst jedoch nur. »Ungewöhnlich. Darüber reden wir noch, Adriana.« Das Letzte klingt wie eine Verwarnung, aber er sagt es nachsichtig, und ich werde das Gefühl nicht los, dass sich die beiden näher stehen als die anderen.
Ich erinnere mich jetzt, dass Matteo vor ihrem Bild vorhin besonders lange gestanden hat und dass er verdutzt wirkte, so als hätte ihn überrascht, was er sieht. Und auch jetzt schüttelt er mit einer Mischung aus Belustigung und Irritation den Kopf. Adriana freut sich darüber sichtlich, denn ihr Lächeln ist breit und extrem selbstzufrieden, als auch sie jetzt ihre Sachen packt. Angst, dass sie mit dem Professore Ärger bekommen könnte, scheint sie nicht zu haben.
»Kann ich meine Zeichnung mitnehmen und noch ein bisschen daran arbeiten?«, erkundigt sich die blonde Raffaella, die sich von dem Kompliment-Schock offenbar erholt hat, und sieht Matteo flehend an – offenbar ist sie eine echte Perfektionistin und kann den Gedanken, etwas Halbfertiges abzugeben, kaum ertragen.
Doch er schüttelt den Kopf. »Es ist nicht der Sinn der Sache, dass Sie zu Hause noch einmal nachbessern. Vergessen Sie nicht – wir wollen hier gemeinsam etwas lernen und uns nicht gegenseitig ausstechen.« Er nimmt ihr das Blatt aus der Hand und stellt es zurück auf ihre Staffelei. »Außerdem meine ich, was ich sage, Raffaella. Wenn ich Ihnen also versichere, dass Ihr Bild zu den besten gehört, dann dürfen Sie mir ruhig glauben.«
Sie nickt betroffen und packt mit geröteten Wangen ihre Sachen, während Matteo sich an mich wendet.
»Ich bin gleich zurück. Warte hier.«
Es ist eine Anweisung, die keinen Widerspruch duldet, aber ich will auch gar nicht widersprechen, sehe nur nervös zu, wie die Studenten einer nach dem anderen den Raum verlassen. Die Schwarzhaarige ist die Letzte, unterhält sich leise mit Matteo, der über eine ihrer Bemerkungen lacht und ihr mit der Hand über den Rücken streicht – was mich stutzig macht. Und dann ist die Tür wieder zu und ich bin allein im Atelier, höre, wie die Stimmen und Schritte auf der Treppe draußen leiser werden. Als sie verklungen sind, gehe ich ans Fenster und blicke hinaus.
So geht Matteo mit den anderen Studentinnen nicht um, überlege ich. Die berührt er nicht, jedenfalls nicht so selbstverständlich, so vertraut wie diese Adriana. Kennt er sie besser als die anderen? Unwillkürlich schlucke ich, weil mir die Vorstellung, dass er mit ihr etwas hatte – oder hat? – einen heftigen Stich versetzt. Kann das sein? Es sah eigentlich so aus, als würde er freundlich, aber bestimmt Abstand zu seinen Studentinnen wahren und sie nicht zu nah an sich heranlassen. Er weiß ganz sicher um die Gefühle, die einige für ihn hegen, und schien mir gerade deshalb darauf bedacht, keine falschen Hoffnungen zu wecken. Macht er da manchmal Ausnahmen?
Ich weiß einfach viel zu wenig über diesen Mann. Nur eins scheint klar: dass er sich überhaupt nicht eignet für irgendetwas, das tiefer geht als eine Affäre. Was mir bewusst ist. Es war mir die ganze Zeit bewusst, aber jetzt, wo ich nur mit einem Seidenmantel bekleidet in seinem Atelier stehe und kurz davor bin, eine dieser Affären zu werden, kriege ich es nicht mehr hin, das cool und gelassen zu sehen. Ein Schauer durchläuft mich. Kann ich meine Gefühle da wirklich raushalten? Oder bin ich gerade dabei, mich in richtig große Schwierigkeiten zu bringen?
Mir bleibt keine Zeit mehr, weiter darüber nachzudenken, denn
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