Colours of Love - Verloren: Roman (German Edition)
Professore .
Doch Matteo lässt sich Zeit damit, korrigiert noch ein letztes Mal meine Kopfhaltung. Dafür hat er die Hände um mein Gesicht gelegt, und seine Daumen streicheln über meine Wangen, was ein so angenehmes Gefühl ist, dass ich fast automatisch die Lippen öffne.
Seine Augen sind dunkel, als er mich jetzt ansieht, und ich sehe das Zögern darin. Dann stößt er die Luft aus, murmelt etwas, das wie ein unterdrückter Fluch klingt, und gibt mich fast abrupt frei, tritt einen Schritt zurück.
»Bitte beginnen Sie«, fordert er die Kursteilnehmer auf, sieht jedoch weiter unverwandt mich an. »Ich bin schon sehr gespannt auf die Ergebnisse.«
***
Es ist still im Atelier. Man hört nur die Geräusche, die Menschen machen, die da sind, aber nicht reden: ein Räuspern hier und da, das Knarren eines Hockers, wenn sich derjenige, der darauf sitzt, bewegt, ein Rascheln – und natürlich das Kratzen von Kohle und Bleistiften auf Papier.
Das Schweigen und die angenehm warme Luft im Atelier haben etwas Meditatives, aber ich bin trotzdem nicht wirklich entspannt.
Die Kursteilnehmer, deren Blicke ich ständig auf mir spüre, sind dabei nicht das Problem. Es ist zwar immer noch ungewohnt, vollkommen nackt vor Fremden zu sitzen, aber ich habe mich erstaunlich schnell daran gewöhnt, wahrscheinlich, weil das Interesse der Studenten tatsächlich rein kreativ ist. Sogar die junge Schwarzhaarige, die mich anfangs so merkwürdig angesehen hat, ist jetzt total ins Zeichnen vertieft, sieht mich eigentlich kaum an, scheint das gar nicht zu brauchen. Und auch die anderen betrachten mich zwar aufmerksam, wenn sie hochgucken, aber sie stieren nicht, deshalb ist es nicht unangenehm, so exponiert zu sein. Im Gegenteil, ich genieße es sogar, dieses Gefühl, nichts verstecken zu können – und doch eigentlich alles von mir zu verbergen.
Als Sophie Conroy würde ich mich niemals so offen zeigen – aber hier bin ich das nicht, hier bin ich lediglich Sophie, eine junge Frau, die eingesprungen ist für eine andere, ein Anschauungsobjekt, austauschbar. Es geht nicht um mich als Person, danach werde ich nicht beurteilt, und das ist … befreiend irgendwie.
Nur, dass ich nicht für alle anonym bin. Matteo kennt mich, und seine Blicke sind deshalb etwas ganz anderes. Sie treffen mich im Innersten, machen mich völlig schutzlos und verhindern sehr effektiv, dass ich mich entspanne.
Er steht entweder hinten am Fenster oder schlendert durch die Reihen, um sich die Bilder anzusehen, und ich kann nicht verhehlen, wie unglaublich sexy ich ihn finde. Mein Blick saugt sich immer wieder an ihm fest, wandert von seinen kräftigen Beinen und den schmalen Hüften in der eng anliegenden Jeans über seine muskulösen, gebräunten Unterarme, die er vor seiner breiten Brust verschränkt hält, bis hinauf zu seinem Gesicht mit den goldenen Augen, den hellen, verwegen fallenden Haaren … Dieser Mann ist einfach zu schön, um wahr zu sein. Das fand ich damals, als ich auf der Treppe in Giacomos Haus in seinen Armen lag, und daran hat sich nichts geändert. Außer, dass ich jetzt weiß, dass er außerdem noch verdammt gut küssen und mich mit seinen Berührungen in ein zitterndes Bündel Lust verwandeln kann.
Ich möchte, dass er das tut – und ich habe Angst davor. Denn meine Vernunft meldet sich wieder, und mit ihr ist das Gefühl zurückgekehrt, dass ich mir bei diesem Spiel mit dem Feuer – denn genau das ist es – übel die Finger verbrennen könnte. Kann ich wirklich in mein altes Leben zurückkehren, wenn ich mich diesem Mann noch mehr ausliefere?
Als hätte er das gehört, blickt Matteo genau in diesem Moment auf und sieht mir in die Augen, was mich kurz das Atmen vergessen lässt. Mein ganzer Körper prickelt jedes Mal, wenn er das tut, doch es dauert eigentlich nie lange, weil er den Blick meistens schnell wieder abwendet und sich den Studenten und ihren Arbeiten widmet. Was gut ist, denn ich weiß nicht, ob ich es aushalten würde, ihm länger in die Augen zu sehen.
Matteo geht weiter und verschwindet diesmal ganz aus meinem Blickwinkel – ich darf den Kopf ja nicht drehen –, aber ich höre ihn, er redet leise mit dem Studenten rechts neben mir. Dann ist es wieder still, alle arbeiten weiter, und ich frage mich, wie lange ich wohl noch hier sitzen muss, bis ich erlöst bin.
Mit einem Seufzen hebe ich meinen linken Arm vom Tisch, lege ihn zu dem anderen in meinen Schoß und verschiebe auch meine Beine ein Stück. Das soll ich
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