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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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tust mir weh!«
    »Natürlich tu ich dir weh. Denkst du, ich mach das hier zum Scherz? Los, weiter. Was war heute nachmittag?«
    »Als Halford aus dem Pool kam.«
    »Ja? Und?«
    »Da ... da hast du deinen Arm um ihn gelegt wie eine Schwuchtel. Haiford ist stinksauer. Er will dich zusammenschlagen.«
    Vor lauter Entsetzen, Wut und Empörung ließ ich McCallum los, der die Gelegenheit nutzte, wie ein fetter Käfer abzuzischen, und mir noch »Schwuchtel!« hinterherrief, bevor er um die nächste Ecke verschwand.
    Ich konnte mich nicht mehr erinnern, Halford meinen Arm um die Schulter gelegt zu haben. Vermutlich war es passiert, als ich mit ihm um den Pool gelaufen war.
    Alles Blut wich aus meinem Gesicht, und ich war nahe dran, einen jener frühpubertären Ohnmachtsanfälle zu bekommen, die einen manchmal bis ins hohe Alter begleiten,wie der Taumel, der einen überfällt, wenn man sich zu rasch erhebt – ein Gefühl, als ob einem schwarz vor Augen wird und man im nächsten Moment zusammenklappt.
    Haiford hielt mich für eine Schwuchtel, weil ich meinen Arm um ihn gelegt hatte. Und zwar deshalb meinen Arm um ihn gelegt hatte, um ihn zu stützen! Der gleiche Haiford, der keine zwei Abende zuvor nackt mit mir durch den Waschraum stolziert war. Der Haiford, der mir gezeigt hatte, wie man seinen Schwanz im Türrahmen einklemmt. Der Haiford, der splitternackt vor mir einen Salto rückwärts vollführt und sich lachend einen Finger in den Arsch geschoben hatte. Er hielt mich für eine Schwuchtel? Weil ich meinen Arm um ihn gelegt hatte, als er einen Krampf bekommen hatte? O Gott.
    Ich stolperte zu einer Hintertreppe, um nach einem einsamen Ort zu suchen und mich auszuheulen. Ich war gerade bis zum ersten Treppenabsatz gekommen, als ich direkt in das filzige Tweedjackett von Mr. Bruce rannte, Lehrer für Geschichte und ehemaliger Kriegsgefangener der Japaner.
    »Hoppla, hoppla! Was ist dir denn Schlimmes passiert?«
    Die Tränen liefen mir nur so über die Wangen, so daß es keinen Zweck hatte, Heuschnupfen vorzutäuschen. Schluchzend erzählte ich von Haifords Krampf und dem Abscheu, den ich ihm offenbar eingeflößt hatte, während ich ihm doch nur helfen wollte. Natürlich verschwieg ich unsere Abendspaziergänge im Adamskostüm und die himmelschreiende Scheinheiligkeit in Haifords Verhalten, seine Unfairness, Ungerechtigkeit und Hartherzigkeit, die das eigentlich Niederschmetternde an der ganzen Sache waren. Mr. Bruce nickte betreten, gab mir ein Taschentuch und verschwand.
    Ich schleppte mich bis ins nächste Bett und blieb dort heulend bis zum Abendessen liegen, um dann zu beschließen, daß es das beste war, mich an meine Unbeliebtheit zu gewöhnen und mich dem johlenden Mob im Speisesaal der Älteren zu stellen.
    Als ich mich auf meinen Platz auf der Holzbank zwängte, entstand sofort eine weite künstliche Lücke, da die Jungen auf beiden Seiten mit großem Theater von dem widerlichen Homo abrückten, der ihren Tisch verseuchte. Bleich, aber entschlossen begann ich zu essen.
    Mittendrin ging plötzlich der Gong. Alle blickten erstaunt hoch. Mr. Bruce stand am Kopfende des Raums und bat mit erhobener Hand um Stille.
    »Jungs«, sagte er. »Ich habe euch etwas Besonderes mitzuteilen. Soeben wurde mir von einer tapferen und vorbildlichen Hilfeleistung berichtet, die sich heute am Schwimmbad ereignet hat. Haiford hatte, glaube ich, Probleme mit einem Krampf, und Fry half ihm auf die Beine und machte genau das Richtige. Er stützte ihn und lief mit ihm umher. Zur Belohnung für sein kluges und besonnenes Verhalten werden Fry fünf Guts verliehen.«
    Ich starrte auf meinen Teller, unfähig, auch nur einen Muskel zu bewegen.
    »Ach, übrigens«, fuhr Bruce fort, als sei ihm spontan noch etwas eingefallen. »Mir ist auch zu Ohren gekommen, daß einige der jüngeren und dümmeren Jungen, die keine Ahnung von diesen Dingen haben, glauben, wenn jemand seinen Arm um einen Freund in Not legt, sei dies ein Zeichen für eine bestimmte Art von Perversion. Ich vertraue auf die älteren Schüler, die ein abgeklärteres Verständnis in Fragen der Geschlechtlichkeit haben, diese Art puerilen Unfugs zu unterbinden. Ich hoffe gleichfalls, daß Haiford sich inzwischen bei Fry für seine Geistesgegenwart und Umsicht gebührend bedankt hat. Ich denke, ein kräftiger Händedruck und eine anständige Umarmung unter Männern wären wohl angebracht. Das ist alles.«
    Ein Quietschen von derben Schuhen auf den Holzdielen, und er war verschwunden.

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