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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Bescheinigung ausstellen, damit ich dich offiziell eintragen kann.«
    Hurra!
    Einen Nachmittag in der Tasche. Einen ganzen Nachmittag, an dem ich, solange mir dieser Polly nicht über den Weg läuft, tun und lassen kann, was ich will. Den Schein von Sperma Tozer hat der schnell wieder vergessen.
    Aber es kommen neue Nachmittage, für die man sich was Neues einfallen lassen muß. Tag für Tag die gleichen Höllenqualen des Erfindens, und manchmal muß ich wirklich antanzen, oder aber ich werd beim Schwänzen erwischt und bestraft.
    Meines Wissens war Peck der letzte Hauspräfekt, der Jungen ohne offizielle Genehmigung des Hausvorstehers schlagen durfte. Die gebräuchlichste Form der Strafe neben der körperlichen Züchtigung war die sogenannte Tish Order. Die tishes waren, wie bereits erklärt, die einzelnen Bettnischen im Schlafsaal. Jeder Junge der Schule schlief in seiner eigenen Bettnische.
    Eine einfache Tish Order bestand aus einem kleinen Zettel, der einem Übeltäter vom Polly ausgehändigt wurde. Er enthielt den Namen eines Polly aus einem anderen Haus. Eine doppelte Tish Order enthielt die Namen von zwei Pollies aus verschiedenen Häusern. Ich bekam ständig eine dreifache Tish Order, also drei Pollies aus drei verschiedenen Häusern.
    Der Empfänger einer Tish Order mußte früh aufstehen, seine Sportsachen anziehen, zum Haus des ersten Polly rennen,dessen Schlafnische betreten, ihn wecken und neben seinem Namen auf der Liste unterschreiben lassen. Dann weiter zum nächsten Polly auf der Liste, der meist im Haus am anderen Ende der Stadt wohnte. Sobald alle Unterschriften gesammelt worden waren, hieß es zurück zum eigenen Haus und rein in die Uniform, bevor es um acht Frühstück gab. Damit die Frevler nicht mogeln konnten, indem sie in der zweckmäßigsten geografischen Reihenfolge herumgingen oder vor sieben aufstanden, der offiziellen Startzeit, mußten die Pollies auf der Liste neben ihrer Unterschrift die genaue Uhrzeit angeben, zu der sie geweckt worden waren.
    Eigentlich eine saublöde Bestrafung, die für die wachgerüttelten Pollies nicht weniger nervig war als für den armen Kerl, der in der Gegend herumrennen mußte. Das System öffnete massivem Mißbrauch Tür und Tor. Mit Kollegen, die sie nicht mochten, konnten Pollies offene Rechnungen begleichen, indem sie ihnen eine Woche lang jeden Tag Tish-Ordonnanzen zuschickten. Derlei Orderkriege zwischen Pollies nach dem Prinzip ›wie du mir, so ich dir‹ konnten sich ganze Semester lang hinziehen.
    Natürlich konnten sich Pollies auch Gefallen tun.
    »Hey, Braddock, da ist dieser affenstarke Rugbyschlächter in deinem Anfängerteam, wie heißt der gleich?«
    »Was, meinst du Yelland?«
    »Genau den. Echt fabelhaft. Du ... äh ... wüßtest nicht zufällig einen Weg, mir den in den nächsten Tagen mal vorbeizuschicken, oder? So als kleines Nischenkätzchen?«
    »Geht in Ordnung. Wenn du mir Finlay schickst.«
    »Topp.«
    Der einzige Teil der Tish Order, den ich wirklich genoß, war das Einbrechen. Offiziell waren alle Häuser bis sieben Uhr verschlossen, was es eigentlich als zwecklos erscheinen ließ, sich früher auf den Weg zu machen und die Sache gemächlich anzugehen. Aber es gab die Fenster zu Speisekammer, Küche und Umkleideraum, die man aufbrechenkonnte, und Schnappschlösser, die einem biegsamen Glimmerblatt nachgaben. Sobald man drin war, brauchte man sich nur in den Schlafsaal zu schleichen, auf Zehenspitzen in die Zielnische des Polly zu tippeln, seinen Wecker vorzustellen und ihn zu wecken. Auf diese Weise konnte man um halb sechs oder sechs anfangen, Order auszuführen, gemächlich mit dem Fahrrad von Haus zu Haus strampeln und sich die Aufregung und Hektik sparen, die ganze Runde in vierzig Minuten zu schaffen.
    Die genaue Beschreibung der Tish Order habe ich nahezu wörtlich aus Der Lügner übernommen, aber andererseits habe ich sie damals, als ich Der Lügner schrieb, nahezu wörtlich aus meinem Leben übernommen, so daß es mir nur gerecht erscheint, sie ein zweites Mal zu verwenden.
    Weil sich die Regeln des Tish-Order-Spielchens so einfach umgehen ließen, weil es den Schauer sexueller Lustbarkeiten mit sich brachte und weil ich die frühen Morgenstunden ohnehin immer genossen habe, erachtete ich das Ganze keineswegs als empfindliche Strafe. Manche Jungen kamen vom Empfang einer Tish Order mit kalkweißen Gesichtern wieder. Sie standen pflichtbewußt zur vorgegebenen Zeit auf, zogen sich tatsächlich ihr komplettes Turnzeug

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