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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Eineinhalb Sekunden herrschte betretene Stille. Dann klopfte man mir von allen Seiten auf den Rücken, Haiford erhob sich verschämt von seiner Bank,um sich bei mir zu bedanken, und ich war wieder wer bei den anderen.
    Wie Ant Cromie in seinem Brief schreibt, ist Jim Bruce vor einigen Jahren gestorben. Möge Gott seiner unsterblichen Seele Ruhe, Rast und Labsal spenden. Er befindet sich nun im Kreis von Montrose, William Wallace und Bonnie Prince Charlie. Er hat mich in meinem letzten Semester in Stouts Hill gerettet, und dafür werde ich sein Andenken immer ehren.
    Doch erfährt man aus dieser Geschichte nicht auch einiges über das psychologische Minenfeld, in dem man sich in jenen Tagen bewegte, sobald es um Fragen der Geschlechtlichkeit oder der Sexualität , wie wir heute sagen würden, ging? Über den Unterschied zwischen sexuellen Eskapaden und Schwulsein ; über die panische Angst, die körperliche Nähe auslöste, während man sich gleichzeitig völlig arglos erotischen Spielen widmete.
    In Uppingham herrschten so ziemlich die gleichen Ansichten. Diejenigen, denen man beim Weckdienst die Morgenlatte streichelte, hielten weder sich selbst noch mich in irgendeiner Weise für schwul. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob irgendwer überhaupt wußte, was schwul tatsächlich bedeutete. Schon der bloße Gedanke versetzte jeden so sehr in Panik, daß alle sich ihre eigene Bedeutung zurechtbastelten, entsprechend den eigenen Ängsten vor den eigenen Neigungen.
    Man konnte einen hübschen Jungen offen bewundern, und die Schüler der mittleren und höheren Klassen taten das auch. Es galt sogar als ein Zeichen von Männlichkeit.
    »Nur zehn Minuten allein mit diesem Arsch«, konnte ein Schüler aus der Sixth Form sagen, wenn ein schnuckeliger Junior vorbeilief, um dann mit flehentlich zum Himmel gerichteten Blick hinzuzufügen: »Mehr will ich ja gar nicht.«
    Oder ein älterer Schüler sank beim Anblick eines liebreizenden neuen Knaben an die Schulter seines Kameraden und schluchzte laut auf: »Oh, nein! Mich hat’s erwischt. Rette mich.«
    Ich glaube sogar, dafür eine Erklärung zu haben. Junge hübsche Knaben waren das Äußerste, was Uppingham in puncto weiblichen Formen zu bieten hatte. Sie hatten an den entsprechenden Stellen keine Haare, waren süß, weich und zart wie Mädchen, hatten flauschiges Haar und Kußmünder wie Mädchen, hatten knackige kleine Pos wie ... nun ja, sie hatten knackige kleine Pos wie Jungen , verdammt noch mal, aber im Sturm ist einem jeder Hafen recht, und kein Sturm ist so schlimm wie die Pubertät und kein Hafen so einladend wie der Po eines hübschen Jungen. Das ganze öffentliche Dahinschmelzen war allerdings reines Machogehabe. Es diente nur dem Beweis der eigenen Heterosexualität.
    Einigen Jungen jedoch hing der Ruf an, schwul zu sein, in der ganzen von Ekel und Abscheu geprägten Bedeutung des Wortes, die es damals besaß – das heißt, bevor die selbstbewußten Schwulen von heute es für sich zurückeroberten. Ich habe nie richtig verstanden, wie man in diesen Ruf gelangte. Vielleicht hatte man den Beschuldigten dabei erwischt, wie er einem Gleichaltrigen unter der Dusche verstohlene Blicke zuwarf – ein verstohlener Blick brachte einem eher das Etikett ›schwul‹ ein als ein offenes, dreistes Begutachten –, vielleicht hatten sie auch nur etwas an sich, das nichts mit Tuntenhaftigkeit oder Geziertheit zu tun haben mußte, bei gesunden männlichen Jugendlichen aber gleichwohl Gefühle von Ablehnung, Schuld oder Verlangen auslöste. Vielleicht war auch alles nur eine Generalprobe für das allgemeine Buschgetrommel aus irrationalen Gerüchten, Bigotterie und Abneigung, getarnt und gerechtfertigt als Instinkt, mit dem heute in der Öffentlichkeit tagtäglich über das Wesen, den Charakter und die Neigungen bekannter Leute entschieden wird: das Bob Monkhouse unwiderruflich zum Prediger, David Mellor zum Schleimscheißer, Peter Mandelson zum Machiavellisten, John Selwyn Gummer zum Ekelpaket und John Birt zum Finsterling abstempelt.
    Ich hätte es wirklich nicht sagen können. MeinerAuffassung nach hat Homophobie, wenn man denn dieses ziemlich abgeschmackte Wort benutzen möchte, herzlich wenig mit dem Sexualleben zu tun.
    »Aber wissen Sie denn auch, was diese Leute so alles machen ?«
    Selbstgerechte Abgeordnete des House of Commons liebten es während der letzten Parlamentsdebatte über das Mündigkeitsalter von Homosexuellen aufzustehen und diese Frage in den Raum zu

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