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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Melodien in meinem Kopf laut wiederzugeben, kommt dabei nur ein hochnotpeinliches und grauenhaftes Gekrächze zustande. Die Folge sind vorwurfsvolle und leicht angewiderte Blicke, als ob ich mir eine unverzeihliche und unbritische Geschmacklosigkeit geleistet hätte, wie etwa in Gegenwart der Königinmutter zu furzen oder Alan Bennett einen Tritt in die Eier zu geben.
    Zweifellos besitze ich eine Stimme. Und zwar eine Stimme, die nicht nur verschiedene Akzente nachmachen kann, sondern auch Stimmenimitationen einer ganzen Reihe von Leuten im Programm hat. Warum kann sie dann nicht auch Töne so wiedergeben, wie ich sie in meinem Kopf höre? Warum diese musikalische Ladehemmung? Warum, um alles in der Welt, warum ?
    Und woher dieser heilige Zorn? Wieso kann ich mich darüber so fürchterlich ereifern, daß ich eine ganze Seite Gift und Galle über dieses Thema verspritze? Mein Gott, anderekönnen nicht einmal laufen . Manche Leute leiden unter schwerer Dyslexie oder Gehirnlähmung, und ich jammere rum, weil mir kein musikalisches Talent mitgegeben wurde. Was ist schon so schlimm daran, wenn man keine Melodie auf die Reihe bekommt?
    »Nun, hab dich, Kumpel«, könnte ein vernünftiger Mensch einwenden, »wir wissen schließlich auch alle, wie die Mona Lisa aussieht. Ihr Bild haben wir ganz genau im Kopf, inklusive der feinen Risse im Firnis und der kleinen verschatteten Grübchen um die Mundwinkel. Aber wer von uns könnte sie schon malen? Wir beklagen uns auch nicht, wir zucken bloß mit der Schulter und sagen, Zeichnen ist eben nicht unser Ding ... warum kannst du das nicht auch von deinen Gesangskünsten sagen?«
    Klar doch, alles schön und gut. Nur geht es bei der Musik noch um einiges mehr. Musik ist gesellig , Musik verleitet zum Tanzen . Anders gesagt, bei der Musik geht es ums Mitmachen. Wenn ich mich darüber beklage, nicht schwimmen und singen zu können, beklage ich vor allem mein Los, nicht mitmachen zu können. Und eigentlich beklage ich mich auch gar nicht. Ich versuche nur, ein altes Leid heraufzubeschwören und mir über seine Folgen klarzuwerden.
    In einem meiner Lieblingsfilme, Sidney Lumets Flucht ins Ungewisse von 1988, gibt es eine Szene, in der River Phoenix (mit umwerfendem jugendlichem Charme) mit einem neuen Namen (Manfield), einer neuen Lebensgeschichte (ausgedacht) und blondgefärbten Haaren (traumhaft) an eine neue Schule kommt. Er und seine Familie befinden sich in ständiger Flucht vor dem FBI – »on the lam«, wie die Amerikaner sagen. Der Filmzuschauer weiß, daß der von Phoenix gespielte Junge ein hochbegabter Pianist ist, nicht aber Ed Crowley, der in dem Film den Musiklehrer an der neuen Schule spielt. Als Phoenix im Musikunterricht der Klasse vorgestellt wird, versinkt er fast auf seinem Stuhl. Danach spielt Crowley zwei Musikstücke an, eineschnelle Tanznummer von Madonna und klassische Geigenmusik.
    »Wer kann mir den Unterschied zwischen beiden Stücken sagen?« fragt Crowley.
    Die Klasse kichert. Als wenn es da groß was zu überlegen gäbe.
    »Das eine ist gute, das andere schlechte Musik«, schlägt ein Schüler vor.
    Was für ein schleimender Dummbeutel. Dabei ist deutlich zu erkennen, daß die Schüler mit dem Madonna-Stück viel mehr anfangen können.
    »Das ist natürlich eine Geschmacksfrage«, antwortet Crowley dem Schleimer.
    Phoenix, der sein Leben lang darauf trainiert ist, bloß nicht aufzufallen, blickt scheinbar abwesend in der Klasse umher. Wir wissen , daß er eine Antwort parat hat, nur welche?
    Was würden Sie denn auf die Frage antworten, worin der Unterschied zwischen Madonna und einem klassischen Streichquartett besteht?
    Ed Crowley wendet sich an seinen neuen Schüler.
    »Mr. Manfield? Helfen Sie uns weiter. Worin besteht Ihrer Meinung nach der Unterschied?«
    Einen Moment lang dreht Phoenix verschüchtert seinen Bleistift und sagt dann:
    »Zu Beethoven kann man nicht tanzen?«
    Klasse Antwort.
    Zu Beethoven kann man nicht tanzen.
    Und wer nicht tanzen kann, kann nie mitmachen .
    Alle Musik, angefangen von der Tradition des Ragtime und Jazz (warum besitzt das Wort Tradition für mich den gleichen ausgrenzenden Charakter wie das Wort Gruppe? Die »Gruppe der Schwulen«, »die verfeindeten Gruppen in Nordirland« – die »Gospel-Tradition«, die »Folk-Tradition«), über Blues, R&B, Rock’n’Roll, Soul, Funk, Reggae, Pop, Ska und Disco, bis hin zu Rap, Hip Hop, Techno, Acid-House,Jungle, Tesco, Handbag, Trance, Hypno und was es sonst noch so gibt,

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