Commander Scott 05 - Juwel Des Verderbens
der Gestalt in der Kutte hinaus auf den Korridor. Seward würde auf dem Schiff bleiben; doch Chemile natürlich nicht. Unsichtbar für die Wachen würde Chemile wieder Scotts Zimmerflucht erreichen.
»Wann werde ich die Ehre haben, mit Ihrem Herrscher zu sprechen?« fragte Scott, nachdem die beiden das Zimmer verlassen hatten.
»Sehr bald. Tugool nähert sich bereits dem Zenith. Wenn er ihn erreicht hat, wird die Verhandlung beginnen. Wir werden Euch rechtzeitig holen, mein Lord.«
Nava Sonega verneigte sich nochmals und verließ dann den Raum. Saratow stieß geräuschvoll den Atem aus.
»Wenn mich nicht alles täuscht, ist das die beherrschende Figur hinter dem Thron, Barry. Wenn du den in der Tasche hast, hast du so gut wie gewonnen.«
»Das bezweifle ich«, meinte Luden skeptisch. »Mag sein, daß er in den Augen dieser Eingeborenen ein Ketzer ist. Trotzdem muß er sich an die Regeln halten und an die Sitten seines Landes. Umed Khan ist so etwas wie ein Gottkönig. Sein Wort ist Gesetz. Sonega kann ihn nur in einem geringen Maß beeinflussen.«
»Immerhin hat er den früheren Herrscher gewaltsam beseitigt, Jarl.«
»Auch das stimmt nicht, Penza. Er hat wahrscheinlich das Zündhütchen aus der Patrone entfernt; aber alles andere hätte auch anders ablaufen können. Umed Khan hätte ihn und das ganze Gefolge hinrichten lassen können, wenn er die Patrone genau untersucht hätte. Aber als abergläubischer Mensch dachte er wohl, daß das Schicksal ihm die Herrschaft dieser Welt übertragen wollte. Sonega hat wahrscheinlich den starken Aberglauben von Umed Khan in seinen Plänen berücksichtigt. Trotzdem hätte so vieles schiefgehen können, Penza. Nach unseren Begriffen war der Mord des Herrschers eine ziemlich primitiv angelegte Sache.«
»Und, Nava Sonega hat mir nicht den Eindruck eines Mannes gemacht, der unüberlegt und spontan handelt«, sagte Scott. »Er tat das Mögliche, ging ein überlegtes Risiko ein. Vielleicht steht er auf unserer Seite. Aber wir müssen auf jeden Fall den Herrscher überzeugen.«
Scott nahm die Weinflasche und löste den Siegel. Der Wein war schwer und hatte einen sonderbaren Nachgeschmack. Er nahm die Flasche und goß ihren Inhalt in den Ausguß im Badezimmer. »Vergiftet, Barry?« fragte Saratow.
»Wahrscheinlich nicht; aber ich gehe kein Risiko ein. Und wir brauchen einen klaren Kopf für die Konferenz. Wenn Umed Khan so einen intelligenten Wesir hat, ist er bestimmt ein kluger Mann.«
*
Barry Scott hatte sich auf eine lange, langweilige Sitzung eingerichtet. Im Grunde verachtete er das endlose Geplänkel der Diplomaten, das Wortgedrechsel und Feilschen um jeden Satz. In jeder Zweideutigkeit konnte eine Falle verborgen sein. Wenn er mußte, machte er dieses Spiel natürlich mit. Aber der direkte Weg der Tat war ihm lieber. Und er erlebte jetzt eine angenehme Überraschung.
Scott saß an der rechten Seite des Tisches, flankiert von Luden und Saratow. Umed Khan war ein stattlicher Mann, schon etwas plump, aber mit einem willensstarken, energischen Gesicht und Augen, die nichts verrieten. Dieser Mann hatte schon sehr früh lernen müssen, seine wahren Gefühle vor der Außenwelt zu verbergen. Ein kluger Mann also, der sich in einer Kultur behauptet hatte, die für jüngere Söhne eines Herrscherhauses nicht viel übrig hatte, da sie immer eine Bedrohung für den Erstgeborenen darstellten. Links hinter ihm saß Nava, so nahe wie ein Schatten, damit er sich so leise mit seinem Herrn beraten konnte, daß keiner außer diesem es verstand. Die beiden waren ein starkes, intelligentes Paar, eine mächtige Kombination, die verbissen um jeden Vorteil für ihre Welt ringen würden. Scott hatte noch nie den Fehler begangen, seine Gegner zu unterschätzen. Obwohl diese Männer vielleicht in seinen Augen Barbaren waren, waren sie bestimmt keine Dummköpfe.
Das gleiche galt natürlich auch für die anderen Mitglieder dieser Konferenz.
Scott wandte jetzt seine Aufmerksamkeit Thom Ochram zu. Der Inchonier hatte sich von seinem Sessel erhoben. Er hatte ein flaches Gesicht wie ein Brett, weite Nasenlöcher und hervorquellende Augen. Seine Ohren waren spitz und lang, am Rand mit Flaum bewachsen. Das gleiche galt für sein Gesicht und seine, Hände. Er trug langes Haar mit einem Kamm auf dem Scheitel, so daß man ihn beim ersten flüchtigen Blick mit einem Pekinesen vergleichen konnte. Seine beiden Begleiter waren jünger, ihre Behaarung dunkler, und das Licht der Laternen im Saal
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