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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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oder ein Stück Fingernagel zu finden, die uns auf eine Spur bringen könnten: rein gar nichts.
    Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder hatte Anissa ein Softwareprogramm im Kopf installiert, oder jemand ist uns zuvorgekommen.
    Ich erwische den Etagenkellner, wie er uns durchs Schlüsselloch beobachtet. Auf frischer Tat ertappt, ist er bereit, mit uns zusammenzuarbeiten - auf seine Weise: er erinnert sich nicht, ob Anissa am Tag, an dem sie ermordet wurde, allein oder in Begleitung ausgegangen ist, schwört beim Haupt seiner Mutter, daß er sie für die Tochter einer reichen alten Schachtel gehalten und nicht das geringste von ihren horizontalen Geschäften geahnt habe. Der Rest des Personals ist vom gleichen Schlag. Sie alle sind an großzügige Trinkgelder gewöhnt und schalten ihr Gedächtnis je nach der Spendierfreude der Fragenden an und wieder ab.
    Der Hoteldirektor begnügt sich damit, die Achseln zu zucken. Er erinnert sich nicht einmal mehr an die Kleine. Für ihn ist der Gast nur Mittel zum Zweck. Er hält den Laden in Gang wie ein Hotelpage oder ein Liftkabel. Er ist eine Zimmernummer oder eine Rechnung, für die die Buchhaltung zuständig ist. Wie er sich anzieht, was er sonst so treibt, ist dem Hotelier herzlich egal.
    Da ich im Limbes Rouges Hausverbot habe, war ich so naiv, Lino loszuschicken, sich dort unauffällig umzusehen. Man weiß ja nie: auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn.
    Lino ist unverrichteter Dinge zurückgekommen, mit leerem Blick und ebensolchen Taschen. Was mich nicht sonderlich wundert. Lino würde noch im Ozean auf dem Trockenen sitzen, wenn man seine Fähigkeiten als Rutengänger in Anspruch nehmen würde.
    Serdj durchstöbert den ganzen restlichen Tag die Archive. Währenddessen hänge ich mit dem Finger in der Nase in meinem Büro herum und lasse die Heldentaten einer Küchenschabe im Kampf mit meinen Schuhbändern ungerührt über mich ergehen.
    Durch das Fenster blinzelt die Sonne auf mich herab. In der Ferne steht das kolossale Monument der Märtyrer kurz davor, sich in sein Grabtuch aus Gischt gehüllt vom Hügel herab ins Meer zu stürzen.
    Ich folge dem Beispiel der Tüchtigen dieser Welt, die ihre Unfähigkeit nicht zugeben und so tun, als dächten sie nach, während sie dabei sind einzudösen. So spiele auch ich den Beschäftigten. Ein Chef schläft nicht, auch wenn er herzhaft schnarcht; er grübelt, er meditiert, er kontrolliert.
    Als ich gerade selig entschlummern will, kommt Serdj mit einem zerknitterten Photo herein und reißt mich brutal aus meinen Träumereien.
    »Vielleicht besteht da ein Zusammenhang!«
    Auf dem Photo sieht man Anissa Arm in Arm mit Haj Garne auf einer Gala. Sie lächelt und strahlt übers ganze Gesicht. Im Hintergrund erkenne ich die nichtssagenden Züge der Limbes- Rouges-Chefin. Sie steht direkt hinter Mourad Atti.
    »Und was bringt uns das?« frage ich gereizt.
    Serdj geht um meinen Schreibtisch herum und beugt sich über meine Schulter.
    »Das hier wurde am 29. Januar aufgenommen«, erklärt er.
    »Und weiter?«
    Meine zunehmende Lustlosigkeit bringt ihn aus dem Konzept.
    »Anissa hieß eigentlich Soria Atti. Mourad war ihr Cousin.«
    Ich halte mir die Hand vor den Mund, um ein Gähnen zu unterdrücken.
    Serdj wischt sich die Stirn mit einem Taschentuch ab. Er merkt, wie demotiviert ich bin, und weiß nicht, ob er seinen Bericht auf später verschieben oder fortfahren soll.
    »Mach ruhig weiter«, ermuntere ich ihn.
    »In der Nacht vom 29. zum 30. Januar bekam ein gewisser Abbas Laouer einen Herzinfarkt, als er sich in einem der Zimmer des Nachtclubs gerade seinen Folterphantasien hingab. Seine Gymnastin war niemand anderer als Anissa.«
    »Hör zu, mein Guter, ich bekomme noch einen Drehwurm, so sehr schleichst du um den heißen Brei herum. Komm direkt auf den Punkt, das ist der kürzeste Weg.«
    Da die Schizophrenie eines Vorgesetzten noch keine Meuterei rechtfertigt, macht Serdj gute Miene zu meiner Unfreundlichkeit.
    »Abbas Laouer war Direktor der Nationalbank«, führt er geduldig aus. »Er hatte ein echtes Problem. Sein Fonds wies ein Defizit von hundertzwanzig Millionen Dollar auf. Sein Tod stand auf allen Titelseiten. Einige Zeitungen sind sogar so weit gegangen, von vertuschtem Mord zu sprechen.«
    Ich habe die Affäre damals am Rand mitbekommen. Die Veruntreuung öffentlicher Gelder ist bei uns gang und gäbe. Vom berühmten »Soudouq attadamoun«, dem »Solidaritäts-Fonds«, der gleich nach der Unabhängigkeit gegründet

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