Commissaire-Llob 1 - Morituri
seinen Ruf als Don Quichotte der Kunst und Literatur in Frage stelle.
Und so schütteln wir uns mit einem gerüttelt Maß an Feindseligkeit die Hände.
»Worauf warten Sie noch, bis Sie Ihre Dienstmarke zurückgeben? So wie die Dinge liegen, läßt man sich als Polizist besser nicht mehr auf der Straße blicken. Abgesehen davon, verträgt sich die Berufung zum Schriftsteller nur schwer mit einem Beruf, der darin besteht, den Leuten auf den Geist zu gehen.«
»So wie die Dinge liegen, läßt man sich auch als Schriftsteller besser nicht mehr auf der Straße blicken. Vielleicht legen Sie zuerst Ihre Feder beiseite, Monsieur Lankabout?«
Er betrachtet sein Glas, als suche er darin die Inspiration für das nächste Plagiat. Sein Mund verzieht sich, als er sagt: »Es heißt, Sie brüten gerade über einem dritten Buch?«
»Diesmal zum Thema Antimaterie.«
»Interessant, ich wußte gar nicht, daß Sie Alchemist sind. Gibt es tatsächlich so etwas wie Antimaterie?«
»Der Fundamentalismus zum Beispiel: Antimaterie in Reinkultur!«
»Was werfen Sie ihm denn vor, Llob, so durch und durch fromm, wie Sie sind?«
»Seine Funktion als alogisch-verlogener Neologismus.«
»Aha. Etwas gewagt, finden Sie nicht?«
»So gleiche ich mein mangelndes Talent aus.«
Er nickt. »Hmm! Das eine so gut wie das andere, sich Ruhm zu verschaffen. Eine Fatwa, und schon werden Sie zum Prix Goncourt gepuscht. Es gibt eine Menge von Schreiberlingen, bei denen das funktioniert hat.«
»Der lebende Beweis steht vor mir.«
»Vielleicht, aber mein Risiko war äußerst gering. Sie dagegen sind verteufelt mutig, Llob, muß ich zugeben.«
»Was wissen Sie schon von Mut, Monsieur Lankabout?«
»Nun, er ist ein höchst plumpes Täuschungsmanöver.«
Er stößt ein boshaftes Kichern aus, schwenkt sein Glas, führt es an die Lippen, trinkt aber nicht. Seine Augen funkeln vor Falschheit und versprühen ihr ganzes Gift in die meinen.
»Wenn Sie nur die Feder mit der gleichen Leichtigkeit wie Ihre Zunge führen würden, Kommissar … Es war eine Qual, sich in Ihr Werk einzulesen, Ali Baba.«
»Beruht ganz auf Gegenseitigkeit, Ali Gator.«
Meine Uhr erinnert mich daran, daß Anissa mich schon über zwei Stunden warten läßt. Vor zehn Minuten ist Haj Garne angekommen. Da er meine Gegenwart nur schwer erträgt, scheint er sich beim Hausherrn entschuldigt zu haben und ist wieder gegangen, nicht ohne anzudeuten, daß ein einziger Unterernährter, der bei Tische furzt, der ganzen Tischgesellschaft die Laune verdirbt.
Madame Fa hat derweil Gelegenheit gefunden, sich der Belagerung durch ihre Gigolos zu entziehen, um mich in die Enge zu treiben und glauben zu lassen, ich stünde kurz davor, Rabelais zu entthronen. Ihre Hand hörte nicht auf, die Beschaffenheit meiner Bauchmuskeln zu testen. Es stimmt, daß sie die Manie hat, ihren Worten durch hartnäckiges Getatsche Nachdruck zu verleihen, wie das bei Leuten so ist, die sich sonst kein Gehör verschaffen können, aber hier übertreibt sie wirklich. Verlorene Liebesmüh. Als ihr klar wird, daß sie mich nicht auf die Trophäenliste dieses Sabbats bekommt, läßt sie von mir ab.
Für einen Augenblick sehe ich den Albino von Ghoul Malek hinten im Saal, breitbeinig auf seine Schweinshaxen aufgepflanzt, einsatzbereit beim kleinsten Fingerschnipsen, wie ein Eunuche. Ich esse am Buffet schnell eine Kleinigkeit, und als ich zurückkomme, ist er schon fort.
Lino wiederum hat kein Lebenszeichen von sich gegeben, seit er mit den zwei Miezen nach oben verschwunden ist. Ich folge ihm, um nachzuschauen, da fällt mir eine halb geöffnete Tür auf. Ein Blick hinein bestätigt mir, daß Anissas Verspätung nicht auf irgendeine technische Panne zurückzuführen ist. Die Kleine liegt bäuchlings auf dem Bett der Lankabouts, das Kleid über die Hüften hochgeschoben, das Höschen zu den Waden heruntergezogen.
Ihr Mörder muß sie mit einem Kissen erstickt haben, während er sie vergewaltigt hat.
11
Zentimeter um Zentimeter habe ich mit Serdj Anissas Appartement im Cinq Etoiles durchgekämmt. Nur Spuren einer Kamera hinter den Nippessachen, was vermuten läßt, daß die Liebesspiele der Kleinen gewissenhaft dokumentiert worden sind. Sonst nichts. Kein Tagebuch, kein Telefonverzeichnis, nicht einmal ein Kalender. Der Schmuck ist nicht angetastet worden, aber die Familienfotos sind verschwunden.
Wir suchen unter den Teppichen und kratzen die hintersten Winkel der Schubladen aus, um einen Manschettenknopf
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