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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Aschenbecher aus. Seine Hände ballen sich zu Fäusten, trommeln gegen seine Knie. Minutenlang werde ich Zeuge eines seltsamen Pantomimenspiels. Dann findet er ansatzweise zu seiner normalen Verfassung zurück und entspannt sich.
    »Diese Leute haben nicht mehr Skrupel als eine Brechstange«, sagt er wie zu sich selbst. »Wenn du nur einmal nicht aufpaßt, wo du deine Finger hinsteckst oder den Fuß hinsetzt, haben sie dich schon erwischt, und ehe du auch nur merkst, wie unvorsichtig du warst, tragen sie dich auf der Kehrschaufel hinaus. Die haben überall ihre Spitzel sitzen, in der Administration, unter deinen Kollegen, ja selbst bei dir im Kleiderschrank … Sie werden dich wie eine Motte zerquetschen.« Er reibt mit einer vieldeutigen Geste Daumen und Zeigefinger gegeneinander. »Einfach so, zwischen zwei Fingern. Und danach gibt es dich nicht mehr. Du bist futsch. Einfach weg … Jetzt fragst du dich, ob ich nicht besser noch eine Weile bei den Verrückten geblieben wäre. Nun ja, du hast recht. Es muß einem schon was im Hirn fehlen, wenn man es wagt, in der Scheiße der Götter zu wühlen.«
    Er sieht sich suchend um, mit leerem Blick, auf der Nasenspitze eine Schweißperle. Seine Zigarettenschachtel ist leer. Er zerdrückt sie wütend und schleudert sie gegen die Wand …
    Der Polizist, auf den ich einmal so stolz war, erregt nur noch mein Mitgefühl. Um etwas Druck von ihm zu nehmen, gehe ich wieder ans Fenster zurück. Das Viertel duckt sich verschämt und verschreckt hinter den schäbigen Wohnsilos. Die drei Kinder vergnügen sich inzwischen mit einem anderen Auto.
    »Hast du nicht zufällig irgendwo noch ein paar Unterlagen von dem Fall herumliegen?«
    »Kein einziges Blatt bekämst du davon. Wenn du deine alte Eselshaut riskieren willst, dann ohne meinen Segen.«
    »Ich habe da ein paar Namen auf meinem Schreibtisch. Aber mir fehlt noch der Zusammenhang.«
    »Vergiß es. Ohne mich. Und jetzt hau ab. Es ist Zeit für meine Tabletten.«
    Ich bohre nicht weiter.
    Er holt mich auf der Türschwelle ein.
    »Da läuft zuviel hinten herum, Llob. Das ist eine Nummer zu groß für dich. Das Limbes Rouges ist ein Minenfeld. Diese Leute überlassen nichts dem Zufall. Die kennen kein Zögern und kein Zurück, und Kompromisse gibt es nicht für sie. Überleg es dir, du bist zu nichts verpflichtet. Wäg in Ruhe ab. Manchen Fällen geht man nach, von anderen läßt man lieber die Finger.«
    »Ich tue nur meine Arbeit. Wenn mittendrin was außer Kontrolle gerät, das ist Berufsrisiko.«
    Er droht mir mit zittrigem Finger: »Ich habe dich jedenfalls gewarnt.«
    »Hör auf zu rauchen, Dine. Und vor allem: hör auf zu trinken.«
     
    12
     
    »Jüngstes Mordopfer ist der Komiker Ai’t Meziane. Als er gerade seine Tochter zur Schule brachte, schossen ihm zwei Bewaffnete drei Kugeln in den Nacken Ein Zischen, und der Sprecher fügt noch etwas hinzu, das ich nicht mitbekomme.
    Die Nachricht trifft mich mit voller Wucht. Ich erstarre über meinen Schuhbändern, unfähig, beim Zuknüpfen weiterzumachen.
    Nadelstiche durchbohren meinen Kopf, Erinnerungsfetzen blitzen auf: ein Schulhof, auf dem das Opfer seine ersten Späße trieb, eine Ecke im Klassenzimmer, wo der Lehrer ihm eine Papierkrone mit Eselsohren aufsetzte, die Bretter einer einfachen Bühne, auf der er sich anschickte, die Herzen der Menschen zu erobern, schließlich der Empfangsraum im Kommissariat, wo er mir das meine brach.
    »Verdammt!«
    Mina stellt das Radio leiser. Sie weiß, wieviel Ai’t mir bedeutet hat. Ihre Augen verdunkeln sich. Sie lehnt sich gegen die Wand und ballt die Fäuste.
    Wortlos schnüre ich die Schuhe fertig zu, stehe auf, schlüpfe in meine Jacke und gehe in die Küche. Wortlos gebe ich zwei Stück Zucker in meinen Kaffee, etwas Marmelade auf mein Brot und frühstücke, während ich auf einen Sprung in der Scheibe starre.
    Drei Hupstöße kündigen mir Linos Ankunft an. Wortlos wische ich mir den Mund an einem Geschirrtuch ab, gehe hinaus ins Treppenhaus und vergesse, die Tür hinter mir zu schließen.
    Die Sonne vertreibt die letzten Widerstandsnester der Nacht, die sich in die hintersten Winkel der Toreinfahrten zurückgezogen haben. Ihre galvanisierten Strahlen prallen von den Scheiben ab, blitzen auf den Karosserien der Autos auf, tollen als eine Vielzahl von Irrlichtern auf den taunassen Gehsteigen umher, doch kein Funke, der es schafft, die Augen der Passanten zu erhellen.
    Die Leute gehen mit unhörbarem Rascheln aneinander vorbei,

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