Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
Frage des Talents des Autors und der Bereitschaft, sich in den Dienst der Sache zu stellen.
Da ich mich sowohl im Krimi als auch in klassischen Genres zu Hause fühle, wähle ich jene Gattung, die am ehesten dem Wesen der Botschaft entspricht, die ich vermitteln möchte.
Ich habe in zwei verschiedenen Gattungen von der Tragödie Algeriens berichtet und beide Male denselben Effekt erzielt.
Von den insgesamt vierzehn Büchern, die ich geschrieben habe, sind nur fünf Kriminalromane. Letztere haben ihre 180
eigene Besonderheit und unterscheiden sich von dem, was momentan geschrieben wird, dadurch, daß sie versuchen, jegliche Gefälligkeit zu vermeiden.
Bei der Lektüre deiner Romane springen vor allem jene Pas-sagen ins Auge, in denen du die blutigen Ereignisse in deiner Heimat und die triste Lebenssituation der algerischen Bevölkerung beschreibst. Verfolgst du mit der Veröffentlichung deiner Romane ein bestimmtes Ziel?
Meine Romane sind hart, weil das der algerischen Realität entspricht. Ich lege Rechenschaft ab über eine Tragödie, die unerträglich ist. Dabei bin ich es mir schuldig, so wahrheits-getreu wie möglich zu sein, um zu erklären, aufzuklären, zu alarmieren, und um die Geister wachzurütteln, die auf ihren Lorbeeren vor sich hin dösen. Gleichzeitig habe ich versucht, mit Nachdruck auf einen wesentlichen Punkt hinzuweisen, daß nämlich Angst den Nährboden für Terrorismus bildet.
Somit habe ich mich für einen offenen Kampf ohne das geringste Zugeständnis entschieden. Es war zwar höchste Zeit, aber man mußte trotzdem kühlen Kopf bewahren. Wenn man angegriffen wird, schlägt man mit größtmöglicher Kraft zu-rück, um sich Respekt zu verschaffen und den Gegner in die Schranken zu weisen. Wer Kinder massakriert, hat kein Recht mehr auf Mitgefühl, auch nicht auf Nachsicht. Man muß zuerst die Täter unschädlich machen, erst dann kann man sich erlauben zu weinen, und niemand wird dies als Schwäche ansehen.
Kritiker bezeichnen deine Werke oft als „soziologische Stu-dien“ oder Analysen der kriegerischen Auseinandersetzungen in Algerien. Wie beurteilst du die aktuelle Lage und die Zukunft Algeriens, und wie erlebst du persönlich die Krise, die deine Heimat erschüttert?
Von Anfang an befand man sich auf dem Holzweg. Sowohl in Algerien selbst als auch im Ausland wurde die Algerien-krise falsch eingeschätzt, ja sogar wissentlich von ihr abge-lenkt. Jeder steuerte seine vage Sicht der Dinge bei, was letztlich nur das Spiel derer begünstigte, die die Fäden in der 181
Hand hielten und vom Krieg der Fundamentalisten profitier-ten. Für die große Mehrheit der Menschen war der Konflikt ein politisch-ideologisch motivierter. Man stellte die soziale Implosion als das biologische Ergebnis einer Identitätskrise dar, die seit langem gärte. Dazu sage ich ein klares Nein! Die Ursache des Problems liegt anderswo und hat nichts mit diesen verfänglichen Hypothesen zu tun. Es handelt sich vielmehr um die Machenschaften einer Mafia, um regelrechte Plünderungen und um ein staatliches Verbrechertum. Meine Kriminalromane habe ich geschrieben, um die Dinge wieder ins rechte Licht zu rücken, den verborgenen Teil des Eisbergs an die Oberfläche zu bringen. Morituri war eine ungeheure Ohrfeige. Der Roman hat das Gewissen der Menschen wach-gerüttelt und ihnen die Augen geöffnet für die andere Wahrheit des Krieges, die die Schlächter der Finsternis still-schweigend zu übergehen versuchten. Das Echo auf meine Bücher in den Medien war weitgehend positiv, sowohl in Europa als auch in meiner Heimat. Die Heftigkeit meiner Texte ist weder zufällig noch unbegründet; sie spiegelt jene Härte wider, mit der ich mich gegen den Betrug auflehne, und sie steht für die Unbändigkeit meines Schmerzes und meiner Empörung. Ich habe die Barbarei aus nächster Nähe erlebt und Grausamkeiten gesehen, die mein Leben erschütterten; beinahe hätte es mein Vertrauen in die Menschheit zerstört. Was sich in meinem Land abspielt, ist widerlich.
Nacht für Nacht werden ganze Familien in einer betäubenden Stille regelrecht abgeschlachtet. Die Regierung versucht, einen wahrhaften Alptraum herunterzuspielen; das ist beschämend und empörend. Demagogie war noch nie ein adä-
quates Mittel, und im Übermaß kann sie nur einen nicht wie-dergutzumachenden Schaden anrichten. Die Habsucht der einen und die Feigheit der anderen übersteigen jegliches Verständnis, und über kurz oder lang wird keine Verständigung mehr
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