Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers
Erzählung von der Carmens ab. Milly sagt, als das Auto ankam, hätte der Mann eine Krawatte oder ein schwarzes Tuch um den Hals gebunden gehabt. Carmen behauptet dagegen, er hätte das Hemd offen gehabt. Das erscheint mir allerdings nicht so wichtig, denn die Krawatte hätte sich unser Ingegnere auch beim Vögeln abnehmen können, vielleicht störte sie ihn.«
»Die Krawatte schon und die Jacke nicht? Das ist nicht unwichtig, Gegè, denn im Wagen sind weder eine Krawatte noch ein Tuch gefunden worden.«
»Das muß nichts heißen, die Sachen können in den Sand gefallen sein, als die Frau ausstieg.«
»Jacomuzzis Männer haben alles abgegrast, sie haben nichts gefunden.«
Sie verharrten in nachdenklichem Schweigen. »Vielleicht gibt es eine Erklärung für das, was Milly gesehen hat«, sagte Gegè plötzlich. »Es handelte sich weder um eine Krawatte noch um ein Tuch. Der Mann hatte noch den Sicherheitsgurt angelegt - kannst dir ja vorstellen, wie das ist, sie waren durch das Flußbett des Canneto gefahren, voller Steine -, und er hat sich losgeschnallt, als sich die Frau auf seine Beine gesetzt hat, der Sicherheitsgurt, der hätte ihn bestimmt gewaltig gestört.«
»Kann sein.«
»Salvo, ich habe dir alles gesagt, was ich über diese Sache in Erfahrung bringen konnte. Und ich erzähle dir das in eigenem Interesse. Denn mir ist das überhaupt nicht angenehm, daß ein hohes Tier wie der Luparello an der Mànnara abkratzt. Jetzt sind aller Augen darauf gerichtet, und je eher du mit der Untersuchung fertig bist, desto besser. Nach zwei Tagen haben die Leute das Ganze vergessen, und wir können alle in Ruhe weiterarbeiten. Kann ich jetzt gehen? Um diese Stunde ist bei uns an der Mànnara Hauptverkehrszeit.«
»Warte noch einen Moment. Wie denkst du denn über die Sache?«
»Ich? Du bist doch der Polizist! Wie auch immer, um dir eine Freude zu machen, sage ich dir, das gefällt mir gar nicht, das stinkt. Nehmen wir mal an, daß die Frau eine Nutte aus gehobenen Kreisen war, eine von außerhalb. Du willst mir doch nicht erzählen, daß Luparello nicht wußte, wohin er mit ihr gehen sollte?«
»Gegè, weißt du, was das ist, eine Perversion?«
»Das fragst du ausgerechnet mich? Ich könnte dir ein paar aufzählen, da kotzt du mir auf die Schuhe. Ich weiß, was du sagen willst: daß die zwei zur Mànnara gefahren sind, weil der Ort sie mehr erregte. Ist durchaus schon vorgekommen. Weißt du, daß sich eines Nachts sogar mal ein Richter mit Geleit präsentiert hat?«
»Ehrlich? Und wer war das?«
»Der Richter Cosentino, den Namen kann ich dir ruhig verraten. Am Abend, bevor sie ihn mit Tritten in den Hintern nach Hause geschickt haben, kam er mit einem Dienstwagen an die Mànnara, holte sich einen Transvestiten und nahm ihn sich vor.«
»Und seine Begleiter?«
»Die haben einen langen Spaziergang am Meer gemacht. Aber zurück zur Sache: Cosentino wußte, daß er auf der Abschlußliste stand, und hat sich den Spaß erlaubt. Unser werter Ingegnere allerdings, was konnte der denn für ein Interesse haben? Er war nicht der Typ für solche Dinge. Er hatte was übrig für schöne Frauen, das wissen alle, aber er war vorsichtig, stets darauf bedacht, sich nicht erwischen zu lassen. Und wer sollte die Frau sein, für die er alles, was er hatte und darstellte, aufs Spiel gesetzt hätte? Das alles nur wegen einem Fick? Nein, das überzeugt mich nicht, Salvo.«
»Red weiter.«
»Wenn wir jedoch davon ausgehen, daß die Frau keine Nutte war, wird das Ganze noch seltsamer. Nie im Leben hätte sie sich an der Mànnara sehen lassen. Außerdem wurde das Auto von einer Frau gelenkt, soviel ist sicher. Mal abgesehen davon, daß niemand einen Wagen, der soviel wert ist, einer Nutte überläßt, muß einem diese Frau ja einen richtigen Schrecken einjagen. Zuerst hat sie keinerlei Schwierigkeiten, durch das Flußbett des Canneto hinunterzufahren, dann, als ihr der Ingegnere zwischen den Schenkeln wegstirbt, klettert sie gelassen von ihrem Kunden, steigt aus, streicht sich den Rock glatt, schlägt die Wagentür zu, und ab durch die Mitte. Findest du das normal?«
»Ich finde das nicht normal.«
Da begann Gegè zu lachen und knipste das Feuerzeug an.
»Was ist denn in dich gefahren?«
»Komm her, mein Junge. Halt mal dein Gesicht näher ran.«
Der Commissario beugte sich vor, und Gegè leuchtete ihm in die Augen. Dann machte er das Feuerzeug aus.
»Alles klar. Die Gedanken, die du als Mann des Gesetzes gehabt hast, sind genau
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