Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge
Seine Papiere waren angeblich in Ordnung. Fast alle Crews sind gemischt. Erstens, weil die Tunesier gute Arbeiter sind, und zweitens, weil sie wissen, wie sie mit den Tunesiern auf den Patrouillenbooten reden müssen, wenn sie aufgehalten werden.«
»Glaubst du, daß der Fischkutter in internationalen Gewässern unterwegs war?«
»Ich? Für wie blöd halten Sie mich?«
»Pronto, Dottor Montalbano? Hier ist Marniti vom Hafenamt.«
»Worum geht es, Maggiore?«
»Um die böse Sache mit dem Tunesier, der auf dem Fischkutter erschossen wurde. Ich vernehme gerade den Kapitän, um herauszufinden, wo sich das Boot im Augenblick des Angriffs befand, und die Vorgänge nachzuvollziehen. Danach kommt er zu Ihnen ins Büro.«
»Wozu? Hat ihn mein Vice nicht schon vernommen?«
»Doch.«
»Dann muß er eigentlich nicht herkommen. Aber ich danke Ihnen trotzdem.«
Sie wollten ihm die Geschichte offenbar unbedingt aufs Auge drücken.
Die Tür wurde so heftig aufgerissen, daß der Commissario von seinem Stuhl aufsprang. Catarella kam ganz aufgelöst herein.
»Ich bitte um Verzeihung wegen dem Krach, aber die Tür ist mir ausgerutscht.«
»Wenn du noch mal so reinkommst, erschieße ich dich. Was ist denn los?«
»Gerade ist angerufen worden, daß da einer ist, der in einem Fahrstuhl steckt.«
Der Tintenfisch, ein Zierstück aus Bronze, verfehlte Catarellas Stirn, aber es klang wie ein Kanonenschuß, als er gegen die Holztür knallte. Catarella kauerte sich zusammen und schützte seinen Kopf mit den Armen. Montalbano bearbeitete seinen Schreibtisch mit Fußtritten. Fazio stürzte ins Zimmer, die Hand an der offenen Pistolentasche. »Was ist denn hier los?«
»Laß dir von diesem Vollidioten die Geschichte mit dem Fahrstuhl erklären, in dem einer steckengeblieben ist. Sie sollen sich an die Feuerwehr wenden. Aber schaff ihn mir vom Hals, ich will kein Wort mehr von ihm hören!« Fazio war im Nu wieder da.
»Ein Toter in einem Fahrstuhl, ermordet«, sagte Fazio, kurz und knapp, um weiteren fliegenden Tintenfischen vorzubeugen.
»Cosentino, Giuseppe, vereidigter Nachtwächter«, stellte sich der Mann vor, der neben der offenen Fahrstuhltür stand. »Ich habe Signor Lapecora tot aufgefunden.«
»Wo sind die Schaulustigen?« fragte Fazio verwundert. »Ich habe alle in ihre Wohnungen geschickt. Die Leute hier tun, was ich sage. Ich wohne im sechsten Stock«, sagte der Nachtwächter stolz und zupfte sich die Uniformjacke zurecht.
Montalbano fragte sich, wie es wohl um die Macht von Giuseppe Cosentino stünde, wenn er im Kellergeschoß wohnte.
Der tote Signor Lapecora saß auf dem Boden des Fahrstuhls, den Rücken an die hintere Wand gelehnt. Neben seiner rechten Hand lag eine Flasche Corvo bianco, die noch mit Stanniol verschlossen war. Neben der Linken ein hellgrauer Hut. Der verstorbene Signor Lapecora, inklusive Krawatte elegant gekleidet, war ein vornehmer Herr um die Sechzig. Seine Augen waren weit geöffnet, der Blick erstaunt, vielleicht weil er in die Hose gepinkelt hatte. Montalbano bückte sich und berührte mit der Fingerspitze den dunklen Fleck zwischen den Beinen des Toten: Es war keine Pisse, sondern Blut. Der Fahrstuhl lief in einem gemauerten Schacht. Der Rücken des Toten war nicht zu sehen, und man konnte nicht feststellen, ob er erstochen oder erschossen worden war. Montalbano schnupperte und nahm keinen Geruch von Schießpulver wahr, aber der konnte sich auch verflüchtigt haben. Er mußte dem Gerichtsmediziner Bescheid geben. »Was meinst du, ist Dottor Pasquano noch am Hafen oder schon wieder in Montelusa?« fragte er Fazio. »Er müßte noch am Hafen sein.«
»Ruf ihn an. Und wenn Jacomuzzi mit seiner Bande vom Erkennungsdienst da ist, dann schick ihn auch her.« Fazio eilte hinaus. Montalbano wandte sich an den Nachtwächter, der, weil er befragt werden sollte, respektvoll strammstand.
»Stehen Sie bequem!« sagte Montalbano genervt.
Der Commissario erfuhr, daß das Gebäude aus sechs Stockwerken bestand und es in jedem Stockwerk drei Wohnungen gab, die alle bewohnt waren.
»Ich wohne im sechsten Stock, ganz oben.« Cosentino, Giuseppe legte Wert darauf, das zu wiederholen. »War Signor Lapecora verheiratet?«
»Sissignore. Mit Palmisano, Antonietta.«
»Haben Sie die Witwe auch in ihre Wohnung geschickt?«
»Nossignore. Die Witwe weiß noch nicht, daß sie Witwe ist. Sie ist heute ganz früh zu ihrer Schwester nach Fiacca gefahren, weil es der gesundheitlich nicht besonders gutgeht. Sie hat
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