Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge
wollen Sie?«
»Ich bin Commissario Montalbano. War Signor Lapecora heute morgen zufällig bei Ihnen?«
»Lapecora? Bei uns? Was sollte er denn hier?«
»Sagen Sie es mir.«
»Ich kannte Lapecora schon, aber nur so vom Sehen, bongiorno und bonasira, mehr nicht.«
»Vielleicht hat Ihr Mann…«
»Mein Mann hatte mit Lapecora nichts zu tun. Wann hätte er denn schon mit ihm reden sollen? Der ist ja nie da, dem ist alles scheißegal!«
»Wo ist Ihr Mann?«
»Sie sehen doch, daß er nicht da ist.«
»Schon, aber wo arbeitet er?«
»Am Hafen. Auf dem Fischmarkt. Er steht morgens um halb fünf auf und kommt abends um acht nach Hause. Man kann von Glück reden, wenn man ihn überhaupt zu Gesicht bekommt.«
Signora Gullotta war eine sehr verständnisvolle Gattin.
An der Tür der dritten und letzten Wohnung im fünften Stock stand PICCIRILLO. Eine elegante Frau Anfang Fünfzig öffnete ihm; sie war in heller Aufregung. »Was wollen Sie denn?«
»Ich bin Commissario Montalbano.« Die Frau wandte den Blick ab.
»Wir wissen überhaupt nichts.«
Montalbano wurde sofort hellhörig. War Lapecora vielleicht wegen dieser Frau ein Stockwerk weiter hinaufgefahren?
»Ich muß Ihnen trotzdem ein paar Fragen stellen. Lassen Sie mich rein.«
Signora Piccirillo trat unwillig beiseite und führte ihn in ein hübsches kleines Wohnzimmer. »Ist Ihr Mann zu Hause?«
»Ich bin Witwe. Ich lebe hier mit meiner Tochter Luigina, sie ist nicht verheiratet.«
»Sie soll kommen, falls sie da ist.«
»Luigina!«
Ein Mädchen in Jeans, Anfang Zwanzig, erschien. Sie war hübsch, aber leichenblaß, buchstäblich in Panik. Der Commissario wurde noch mißtrauischer und beschloß, sich die beiden richtig vorzuknöpfen. »Lapecora war heute morgen bei Ihnen. Was wollte er?«
»Nein!« Luigina schrie beinahe. »Ich schwör's!« rief die Mutter. »Welche Beziehung hatten Sie zu Signor Lapecora?«
»Wir kannten ihn vom Sehen«, sagte Signora Piccirillo. »Wir haben nichts Unrechtes getan«, wimmerte Luigina.
»Hören Sie gut zu: Wenn Sie nichts Unrechtes getan haben, brauchen Sie keine Angst zu haben. Es gibt einen Zeugen, der aussagt, Signor Lapecora sei ihm fünften Stock gewesen, als…«
»Aber was haben Sie denn gegen uns? In diesem Stockwerk wohnen noch zwei weitere Familien, die…«
»Hör auf«, rief Luigina, einem hysterischen Anfall nahe.
»Hör auf, Mama! Sag ihm alles! Sag's ihm!«
»Also gut. Meine Tochter mußte heute morgen ganz früh zum Friseur. Sie rief den Fahrstuhl, der sofort da war.
Er muß einen Stock weiter unten, im vierten, gewesen sein.«
»Um wieviel Uhr?«
»Um acht, fünf nach acht. Sie machte die Tür auf und sah Signor Lapecora auf dem Boden sitzen. Ich hatte sie begleitet, schaute in den Fahrstuhl und hielt ihn für betrunken. Eine volle Flasche Wein lag neben ihm, und… und er hatte anscheinend in die Hose gemacht. Meine Tochter ekelte sich. Sie schloß den Fahrstuhl wieder und wollte zu Fuß gehen. In diesem Moment setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung, jemand hatte ihn von unten gerufen. Meine Tochter hat einen empfindlichen Magen, bei dem Anblick ist uns beiden ganz schlecht geworden. Luigina ging in die Wohnung zurück, um sich frisch zu machen, und ich auch. Es vergingen keine fünf Minuten, da kam Signora Gullotta und sagte, Signor Lapecora sei nicht betrunken, sondern tot! Das ist alles.«
»Nein«, sagte Montalbano. »Das ist nicht alles.«
»Was sagen Sie da? Es ist die Wahrheit!« erwiderte Signora Piccirillo verärgert und beleidigt.
»Die Wahrheit sieht ein bißchen anders aus und ist unangenehmer. Ihnen beiden war sofort klar, daß dieser Mann tot war. Aber Sie haben nichts unternommen, Sie haben so getan, als hätten Sie ihn gar nicht gesehen. Warum?«
»Wir wollten nicht, daß alle über uns reden«, räumte Signora Piccirillo ein. Sie war am Boden zerstört. Aber augenblicklich kehrte ihre Kraft zurück, und sie schrie hysterisch:
»Wir sind schließlich anständige Leute!«
Und diese beiden anständigen Leute hatten es zugelassen, daß die Leiche von jemand anderem entdeckt wurde, der vielleicht nicht so anständig war? Und wenn Lapecora im Sterben gelegen hätte? Sie hatten sich einen feuchten Dreck um ihn gekümmert, um… ja, um was eigentlich zu retten?
Montalbano verließ die Wohnung, schlug die Tür zu und stand Fazio gegenüber, der gekommen war, um ihm Gesellschaft zu leisten.
»Da bin ich, Commissario. Wenn Sie was brauchen…« Montalbano hatte eine Idee.
»Ja,
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