Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen
sei kein Problem: Sie seien in der Lage, das Ersatzteil zu finden. Und wie? Indem sie einen Roboter zerlegen, der über die erforderlichen Eigenschaften verfügt, und ihm das benötigte Teil entnehmen. Der zerlegte Roboter wird ins Meer geworfen oder verbuddelt. Wir können jeden Klienten bedienen, sagt der Boss, der Omikron 1 heißt. Überall auf der Welt, erklärt er, gibt es Gefange ne, in Zuchthäusern, in eigens dafür eingerichteten Lagern. Und in jedem dieser Lager haben wir einen unserer Roboter. Und in der Nähe dieser Orte gibt es einen Landeplatz. Wir hier - fährt Omikron 1 fort - sind nur ein winziger Teil, unsere Organisation arbeitet weltweit, sie ist globalisiert. Und Beta 5 akzeptiert. Der Bedarf von Beta 5 soll Omikron 1 mitgeteilt werden, der ihn wiederum an Delta 32 weitergibt, und der informiert mittels eines hochmodernen Internetsystems die - nennen wir sie mal so - operativen Dienste. Und hier endet der Roman. Nenè Sanfilippo kam nicht mehr dazu, den Schluss zu schreiben. Den Schluss hat Omikron 1 für ihn geschrieben.«
Augello dachte lange nach, anscheinend war ihm die Bedeutung von Montalbanos Bericht noch nicht in allen Einzelheiten klar. Dann begriff er, wurde blass und flüsterte: »Natürlich auch Roboterkinder.«
»Natürlich«, bestätigte Montalbano. »Und wie geht die Geschichte deiner Meinung nach weiter?«
»Du musst davon ausgehen, dass die Organisatoren der ganzen Sache eine schreckliche Verantwortung tragen.«
»Natürlich, für den Tod von -«
»Nicht nur für den Tod, Mimi. Auch für das Leben -«
»Das Leben?«
»Natürlich, für das Leben derjenigen, die sich haben operieren lassen. Sie haben einen ungeheuren Preis bezahlt, und ich spreche nicht von Geld: mit dem Tod eines anderen Menschen. Falls die Sache rauskommt, sind sie erledigt, wo auch immer sie sich befinden, an der Spitze einer Regierung, eines Wirtschaftsunternehmens, eines Bankriesen. Sie würden für immer das Gesicht verlieren. Meines Erachtens ist es also folgendermaßen gelaufen: Eines Tages kommt jemand dahinter, dass Sanfilippo und die Ehefrau des Professors ein Verhältnis haben. Von diesem Zeitpunkt an ist Vanja ein Risiko für die ganze Organisation. Sie stellt das mögliche Verbindungsglied zwischen dem Chirurgen und der Mafiaorganisation dar. Beides muss unbedingt auseinander gehalten werden. Was tun? Vanja umbringen? Nein, der Professor befände sich im Zentrum von Ermittlungen, stünde in den Skandalchroniken aller Zeitungen … Das Beste ist, die Zentrale in Vigàta auszuschalten. Aber vorher klären sie den Professor über den Ehebruch seiner Frau auf: Er muss aus Vanjas Reaktion ersehen, ob die Frau über irgendetwas im Bilde ist. Vanja weiß jedoch nichts. Sie wird in ihre Heimat zurückgeschickt. Die Organisation tilgt sämtliche Spuren, die zu ihr führen könnten, die Griffos, Sanfilippo -«
»Warum bringen sie nicht auch den Professor um?«
»Weil er ihnen noch nützlich sein kann. Sein Name ist, wie es in der Werbung heißt, eine Garantie für den Klienten. Sie warten ab, wie sich die Dinge entwickeln. Wenn sie sich günstig entwickeln, lassen sie ihn wieder praktizieren, andernfalls töten sie ihn.«
»Und du, was willst du tun?«
»Was kann ich schon tun? Nichts, im Augenblick. Fahr nach Hause, Mimi. Und danke. Ist Fazio noch in Santoli?«
»Ja. Er wartet auf einen Anruf von mir.«
»Ruf ihn an. Sag ihm, er kann schlafen gehen. Morgen früh entscheiden wir, wie wir mit der Überwachung weitermachen.«
Augello sprach mit Fazio. Dann sagte er: »Er fährt nach Hause. Es gibt nichts Neues. Der Professor ist allein. Er sieht fern.«
Um drei Uhr nachts setzte sich Montalbano, angetan mit einer dicken Jacke, weil es draußen bestimmt kühl war, ins Auto und fuhr los. Von Augello hatte er sich, pure Neugier vorschützend, erklären lassen, wo genau Ingròs Villa lag. Während der Fahrt dachte er über Mimis Verhalten nach, nachdem er ihm die Sache mit den Transplantationen erzählt hatte. Montalbano selbst hatte reagiert, wie er eben reagiert hatte, er wäre fast umgekippt, während Augello zwar blass geworden war, aber nicht allzu sehr erschüttert gewirkt hatte. Selbstbeherrschung? Mangelnde Sensibilität? Nein, der Grund war sicher einfacher: der Altersunterschied. Er war fünfzig und Mimi dreißig.
Augello war schon bereit für das einundzwanzigste Jahrhundert, während er selbst das niemals sein würde. Das war alles. Augello wusste, dass er ganz selbstverständlich in
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