Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres
und in die Höhle zu gleiten. Montalbano kletterte ohne Schwierigkeiten auf den Felsen; die Gewissheit, dass er sich bald seine ersehnte Genugtuung verschaffen konnte, gab ihm Kraft und einen klaren Kopf. Als er am Zaun ankam, sah er einen breiten Lichtkegel am Höhleneingang. Er hörte auch zwei zornige Männerstimmen und weinende Kinder; ihr Wimmern stach ihm ins Herz und drehte ihm den Magen um. Seine Hände schwitzten und zitterten, aber nicht vor Anspannung, sondern vor Wut; er wartete, bis keine Stimme und kein Geräusch mehr aus der Höhle drangen, und als er den ersten der beiden verbliebenen Drähte durchschneiden wollte, erlosch auch das Licht. Ein gutes Zeichen, es bedeutete, dass niemand mehr in der Höhle war. Montalbano zwickte die beiden Drähte rasch durch, ohne auf den Lärm zu achten, und ließ das große Zaunstück, das er in der Hand hielt, am Felsen entlang in den Graben fallen. Dann ging er zwischen den beiden Eisenpfosten durch und sprang im Dunkeln vom Felsen hinunter in den Sand. Ein Sprung von über drei Metern, und der Herrgott stand ihm bei. In diesen wenigen Augenblicken schien er gut zehn Jahre jünger geworden zu sein. Er zog seine Waffe, lud durch und ging in die Höhle. Es war stockfinster und ganz still. Montalbano lief den schmalen Kai entlang, bis seine Hand die angelehnte Eisentür ertastete. Er betrat den Schuppen und war im Nu, als ob er sehen könnte, an dem Bogen, ging unter ihm hindurch und blieb auf der ersten Stufe stehen. Warum war es nur so still? Hatten seine Leute noch nicht angefangen? Da trieb ihm ein Gedanke den Schweiß auf die Stirn: War ihnen vielleicht was dazwischengekommen, und sie waren noch gar nicht da? Und er stand hier mit der Pistole in der Hand in seinem idiotischen Piratenkostüm im Dunkeln herum! Warum taten sie nicht endlich was? Sehr witzig, Himmel noch mal! Und Signor Zarzis und seine Kumpane sollten mit heiler Haut davonkommen? O nein, und wenn er allein in die Villa rauf und sich die Leute vorknöpfen müsste!
Da hörte er, wenn auch durch die Entfernung gedämpft, fast gleichzeitig Pistolenschüsse, Salven von Maschinenpistolen, unverständliches, aufgeregtes Geschrei. Was tun? Abwarten oder seinen Leuten zu Hilfe kommen? Oben ging die Schießerei heftig weiter und schien näher zu kommen. Plötzlich standen die Treppe, der Schuppen und die Höhle in gleißendem Licht. Jemand wollte abhauen. Montalbano hörte deutlich hastige Schritte auf der Treppe. Blitzschnell verzog sich der Commissario hinter den Bogen und stellte sich mit dem Rücken an die Mauer.
Einen Augenblick später kam keuchend ein Mann mit einem Satz unter dem Bogen hervorgeschossen, wie eine Maus aus einem Abwasserkanal.
»Stehen bleiben! Polizei!«, schrie Montalbano und trat vor.
Der Mann blieb nicht stehen, er sah sich nur kurz um, hob den rechten Arm und schoss mit einem großen Revolver praktisch aufs Geratewohl hinter sich. Ein brutaler Schlag gegen die linke Schulter riss Montalbanos Oberkörper herum. Nicht aber die Füße und die Beine, sie blieben wie festgenagelt an ihrem Platz. Der Mann hatte gerade die Tür des Schuppens erreicht, als Montalbanos erster und einziger Schuss ihn genau zwischen den Schulterblättern traf. Der Mann blieb abrupt stehen, breitete die Arme aus, ließ den Revolver fallen und stürzte der Länge nach hin. Langsam, weil er nicht schnell laufen konnte, ging der Commissario zu ihm und drehte ihn mit der Stiefelspitze um.
Jamil Zarzis schien ihn mit seinem zahnlosen Mund anzugrinsen.
Jemand hatte Montalbano einmal gefragt, ob er sich schon mal darüber gefreut habe, einen Menschen getötet zu haben. Und er hatte verneint. Und auch diesmal verschaffte es ihm keine Freude, aber er fühlte sich befriedigt.
Ja, befriedigt war das richtige Wort.
Er sank auf die Knie, seine Beine fühlten sich an wie Ricotta, und er wollte am liebsten nur noch schlafen. Das Blut quoll aus der Wunde an seiner Schulter und durchtränkte seinen Pullover. Der Treffer musste ein großes Loch geschlagen haben.
»Commissario! Mein Gott, Commissario! Ich rufe einen Krankenwagen!«
Montalbano hielt die Augen geschlossen, aber er erkannte Fazio an der Stimme.
»Kein Krankenwagen. Warum habt ihr so lange gebraucht?«
»Wir haben gewartet, bis sie die Kinder in ein Zimmer gebracht haben, damit wir uns freier bewegen können.«
»Wie viele sind es?«
»Sieben. Ein halber Kindergarten. Alle gerettet. Einen Mann haben wir getötet, der andere hat sich ergeben. Den dritten
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