Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres
schlimmsten Verbrecher habe ich falsche Beweise untergeschoben! Nie! Damit hätte ich mich ja auf sein Niveau begeben. Dann wäre meine Arbeit als Bulle zu einem Drecksgeschäft geworden! Stell dir das mal vor, Livia! Nicht irgendein unterbelichteter, gewalttätiger Polizist hat die Schule überfallen und irgendwelche Beweise fabriziert, da waren Polizeipräsidenten und stellvertretende Polizeipräsidenten, Hauptkommissare und Konsorten mit von der Partie!«
Erst jetzt begriff er, dass das Geräusch im Hörer Livias Schluchzer waren. Er holte tief Luft.
»Livia?«
»Ja?«
»Ich liebe dich. Schlaf gut.«
Er legte auf. Und dann hatte diese üble Nacht begonnen.
In Wirklichkeit hatte Montalbanos Unbehagen schon vorher angefangen, nämlich als im Fernsehen der Ministerpräsident zu sehen war, der durch die Gassen von Genua schlenderte, Blumenkästen aufstellen ließ und Anweisung gab, die Unterhosen, die zum Trocknen vor Balkonen und Fenstern hingen, zu entfernen, während sein Innenminister Sicherheitsmaßnahmen ergriff, die eher zu einem bevorstehenden Bürgerkrieg als zu einer Versammlung von Regierungschefs gepasst hätten: Stahlzäune zur Sperrung bestimmter Straßen, Abdichtung der Gullys, Schließung der Grenzen und mehrerer Bahnhöfe, Überwachung der Küstengewässer und sogar die Installation einer Raketenbatterie. Die Schutzvorkehrungen - dachte der Commissario - waren dermaßen übertrieben, dass sie eine Provokation darstellten. Und dann war das alles passiert: Schlimm genug, dass ein Demonstrant ums Leben gekommen war, doch das Schlimmste war vielleicht das Verhalten einiger Polizeiabteilungen, die friedliche Demonstranten mit Tränengas beschossen, während die Autonomen des so genannten Black Block tun und lassen konnten, was sie wollten. Und danach hatte sich in der Diaz-Schule diese widerwärtige Geschichte abgespielt, die weniger mit einem Polizeieinsatz zu tun hatte als mit einem miesen Überfall, um unterdrückte Rachegelüste auszutoben.
Drei Tage nach dem G8-Gipfel, als in ganz Italien heftig gestritten wurde, war Montalbano spät ins Büro gekommen.
Als er aus dem Auto stieg, sah er zwei Maler, die eine Seitenwand des Kommissariats tünchten.
»Ah Dottori Dottori!«, rief Catarella, als Montalbano hereinkam, »Die haben uns heute Nacht unanständige Sachen geschrieben!«
Montalbano verstand nicht sofort:
»Wer hat uns geschrieben?«
»Ich weiß nicht, wer das persönlich war, der uns geschrieben hat.«
Was für einen Mist redete Catarella da? »Einen anonymen Brief?«
»Nein, Dottori, der war nicht onanym, Dottori, der war ein Mauerbrief. Und wegen dem Mauerbrief hat der Fazio heut Früh gleich die Maler angerufen, dass die den wieder wegmachen.«
Jetzt wusste Montalbano endlich, was es mit den beiden Malern auf sich hatte.
»Was stand denn da?«
Catarella wurde knallrot und redete um den heißen Brei herum:
»Mit so schwarzen Spraydosen haben die schlimme Wörter hingeschrieben.«
»Ja gut, aber was denn?«
»Scheißbullen«, antwortete Catarella und blickte verlegen zu Boden.
»Ist das alles?«
»Nein. Auch noch Mörder. Scheißbullen und Mörder.«
»Catare, warum macht dir das denn so viel aus?« Catarella fing fast an zu heulen.
»Weil hier bei uns keiner ein Scheißbulle oder ein Mörder ist, Sie schon gar nicht und niemand sonst und ich auch nicht, wo ich sowieso die letzte Geige spiele.«
Montalbano legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter und ging dann in sein Büro. Catarella rief hinter ihm her:
»Ah Dottori! Das hab ich ganz vergessen: grannissimi cornuti war auch dabei.«
Klar, in Sizilien war aus einem Schmähspruch das Wort cornuto, Gehörnter, nicht wegzudenken! Dieses Wort war wie ein Markenname, eine typische Art, die sizilianische Mentalität auszudrücken. Er hatte sich gerade hingesetzt, als Mimi Augello hereinkam. Mimi schien sich durch nichts anfechten zu lassen, er war entspannt und guter Dinge.
»Gibt's was Neues?«, fragte er.
»Weißt du schon, was heute Nacht an unserer Hauswand stand?«
»Ja, Fazio hat's mir erzählt.«
»Und das findest du nichts Neues?«
Mimi sah ihn irritiert an.
»Machst du jetzt einen Witz, oder meinst du das ernst?«
»Ich mein's ernst.«
»Dann aber Hand aufs Herz, wenn du mir antwortest. Glaubst du, dass Livia dich betrügt?« Diesmal sah Montalbano Mimi irritiert an. »Sag mal, spinnst du?«
»Ein cornuto bist du also nicht. Und dass Beba mich betrügt, glaube ich auch nicht. Nun zum nächsten Wort:
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