Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Titel: Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
Leiter, die jedes Mal herabgelassen wurde. In einer Ecke des Beckens stand ein Eimer. Von jetzt an blieb das Licht immer eingeschaltet.
    Susanna wurde während ihrer Gefangenschaft nie schlecht behandelt, aber sie hatte keinerlei Möglichkeit, sich zu waschen. Und sie hörte die Kidnapper nie miteinander sprechen. Sie beantworteten weder ihre Fragen noch richteten sie das Wort an sie. Als sie sie aus dem Becken steigen ließen, sagten sie ihr auch nicht, dass sie bald frei sein würde. Susanna hatte die Ermittler zu dem Ort führen können, an dem sie freigelassen wurde. Dort fanden sie die Schnur und das Taschentuch, mit dem sie geknebelt worden war.
    Am Ende sagte der Questore, der jungen Frau gehe es trotz der schrecklichen Erlebnisse recht gut.
    Dann deutete Lattes auf einen der Journalisten, der sich erhob und fragte, warum es nicht möglich sei, Susanna zu interviewen.
    »Weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind«, antwortete der Staatsanwalt.
    »Aber wurde das Lösegeld denn nun gezahlt oder nicht?«, fragte Zito.
    »Amtsgeheimnis«, sagte wieder der Staatsanwalt.
    Da stand Pippo Ragonese auf. Sein Hühnerarschmündchen war so zugekniffen, dass die Wörter wie zerhackt herauskamen.
    »Dzu muss ich nich ws frgn, sndn ws sgn …«
    »Man versteht nichts!«, riefen die Journalisten im Chor.
    »Ich will dazu nichts fragen, sondern etwas sagen. Kurz bevor ich herkam, ging ein Anruf in unserer Redaktion ein, der zu mir durchgestellt wurde. Ich erkannte die Stimme des Entführers, der schon vorher bei mir angerufen hatte. Er sagte wörtlich, dass kein Lösegeld gezahlt worden sei, dass derjenige, der hätte zahlen müssen, sie betrogen habe. Sie hätten aber trotzdem beschlossen, das Mädchen freizulassen, weil sie keine Leiche auf dem Gewissen haben wollten.«
    Stimmengewirr brach los. Die einen sprangen auf und gestikulierten, die anderen rannten aus dem Raum, der Staatsanwalt stauchte Ragonese zusammen. Es war ein solcher Spektakel, dass man kein Wort verstand. Montalbano schaltete den Fernseher aus und setzte sich auf die Veranda.
    Als Livia eine Stunde später kam, saß er da und blickte aufs Meer hinaus. Sie schien ganz und gar nicht verärgert.
    »Wo warst du?«
    »Bei Beba, auf Wiedersehen sagen, und dann noch kurz im Garten von Kolymbetra. Versprich mir, dass du da mal hingehst. Und du? Du hast nicht mal angerufen, um mir zu sagen, dass du nicht zum Mittagessen kommst.«
    »Entschuldige, Livia …«
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, ich habe überhaupt keine Lust, mit dir zu streiten. Das sind unsere letzten gemeinsamen Stunden. Und die will ich nicht vergeuden.«
    Sie wanderte ein Weilchen im Haus umher, und dann tat sie etwas, was sie fast nie machte. Sie setzte sich Montalbano auf den Schoß und schlang die Arme um ihn. Eine Weile blieb sie schweigend so sitzen. Dann flüsterte sie ihm ins Ohr:
    »Gehen wir rein?«
    Auf dem Weg ins Schlafzimmer stöpselte Montalbano vorsichtshalber das Telefon aus.
    Arm in Arm lagen sie da und ließen die Abendessenszeit verstreichen. Und auch die Zeit nach dem Abendessen.
    »Ich bin froh, dass sich die Geschichte mit Susanna noch vor meiner Abreise geklärt hat«, sagte Livia irgendwann.
    »Mhm«, meinte der Commissario. Er hatte ein paar Stunden nicht an die Entführung gedacht.
    Irgendwie war er Livia dankbar, dass sie ihn in diesem Moment daran erinnerte. Wie das? Was hatte das mit Dankbarkeit zu tun? Er konnte es sich nicht erklären.
    Beim Essen sprachen sie wenig, beide waren traurig wegen des bevorstehenden Abschieds.
    Livia stand auf, um ihren Koffer fertig zu packen. Irgendwann hörte er sie rufen:
    »Salvo, hast du das Buch genommen, das ich gerade lese?«
    »Nein.«
    Es war ein Roman von Simenon, Die Verlobung des Monsieur Hire.
    Livia setzte sich neben ihn auf die Veranda.
    »Es ist nirgends zu finden. Ich würde es gern mitnehmen und fertig lesen.«
    Der Commissario hatte eine Vermutung, wo es sein könnte.
    Er stand auf.
    »Wo gehst du hin?«
    »Bin gleich wieder da.«
    Das Buch war, wie er vermutet hatte, im Schlafzimmer; es war vom Nachttisch gefallen und steckte zwischen Wand und Bettfuß. Er bückte sich, hob es auf und legte es auf den bereits geschlossenen Koffer. Dann kehrte er auf die Veranda zurück.
    »Ich hab’s gefunden«, sagte er.
    Er wollte sich wieder setzen.
    »Wo?«
    Montalbano hielt in der Bewegung inne. Wie vom Blitz getroffen. Einen Fuß etwas angehoben, den Oberkörper leicht nach vorn gebeugt. Wie bei einer

Weitere Kostenlose Bücher