Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx
Vergrößerung des tätowierten Schmetterlings. Er steckte es in seine Jackentasche, zusammen mit einem anderen von den Schultern des Mädchens, auf dem man das tätowierte Schulterblatt deutlich erkannte. »Ich bin mal eben für zwei Stunden weg«, sagte er zu Catarella, als er auf dem Weg zum Ausgang bei ihm vorbeikam.
Er parkte hinter dem Gebäude des Fernsehsenders »Retelibera«, doch bevor er die Studios betrat, zündete er sich eine Zigarette an. Da drinnen durfte man nicht rauchen. Und er passte sich immer an, auch wenn er herumfluchte, sobald er irgendwo ein Verbotsschild sah. Doch andererseits, wo war es einem armen Teufel überhaupt noch erlaubt zu rauchen? Nicht mal mehr auf den Toiletten konnte man das; derjenige, der nach einem eintrat, roch den Rauch und blickte einen bösartig an. Denn im Handumdrehen hatten sich Legionen von fanatischen Raucherhassern gebildet. Einmal, er war gerade mit einer Zigarette im Mund in einem öffentlichen Park unterwegs, war er eingeschritten, als sich zwei Achtzigjährige aus unerfindlichen Gründen mit ihren Stöcken gegenseitig die Köpfe einschlugen. Und weil er es nicht schaffte, sie zu trennen, denn sie waren ineinander verkeilt, hatte er seinen Polizeiausweis gezückt. Daraufhin verbündeten sich die beiden unverzüglich gegen ihn: »Sie sollten sich schämen!«
»Sie rauchen ja!«
»Und da behaupten Sie, ein Commissario zu sein!«
»Dabei sind Sie ein Raucher!«
Er war gegangen, und die beiden Alten hatten sich weiter gegenseitig mit ihren Stöcken die Hörner abgeschlagen.
Drei
«Buongiorno, Dottor Montalbano«, begrüßte ihn die junge Frau am Empfang, als sie ihn näher kommen sah. »Buongiorno. Ist mein Freund da?« Bei »Retelibera« war er wie zu Hause. »Ja. In seinem Büro.«
Er ging den ganzen Flur hinunter, bis er an der letzten Tür angelangt war, und klopfte an. «Avanti.«
Er trat ein. Nicolò Zito hob den Blick von einem Blatt Papier, das er gerade las, erkannte Montalbano und stand lächelnd auf.
»Salvo! Was für eine schöne Überraschung!« Sie umarmten sich.
»Wie geht's Taninè und Francesco?«, fragte Montalbano, während er auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz nahm.
Taninè war Nicolos Frau, die wie ein Engel kochte, wenn sie in Stimmung dafür war. Francesco war der einzige Sohn der beiden.
»Denen geht's gut, danke. Francesco macht dieses Jahr Abitur.«
Montalbano war sprachlos. War es denn nicht erst gestern gewesen, dass Francesco mit ihm Räuber und Gendarm gespielt hatte? Und war es nicht auch erst gestern gewesen, dass Nicolò rote Haare hatte, wohingegen sie jetzt fast völlig weiß waren? »Und wie geht's deiner Livia?«
»Gesundheitlich gut.«
Nicolò besaß jedoch zu viel Lebenserfahrung und kannte Montalbano zu gut, um sich mit einer so diplomatischen Antwort zufriedenzugeben. »Was ist los?«
»Na ja, sagen wir mal, ich mache gerade eine Krise durch.«
»Mit sechsundfünfzig, Montalbà, kriegst du noch Krisen?«, sagte sein Freund Zito halb ironisch und halb amüsiert. »Du willst mich wohl zum Lachen bringen! In unserem Alter sind wir doch längst durch mit allem.« Montalbano zog es vor, gleich zur Sache zu kommen. »Ich bin hier…«
»… wegen dieser ermordeten jungen Frau. Das war mir sofort klar, als du das Zimmer betreten hast. Was kann ich für dich tun?«
»Ich brauchte deine Unterstützung.«
»Ich stehe zu deiner Verfügung, wie immer.« Montalbano zog die beiden Fotos aus seiner Jackentasche und reichte sie ihm.
»Keiner hat uns heute Morgen gesagt, dass das Mädchen dieses Tattoo hatte«, sagte Nicolò.
»Jetzt weißt du's. Und du bist der einzige Journalist, der es weiß.«
»Das ist ein Tattoo nach allen Regeln der Kunst, die Farben der Flügel sind wunderschön«, kommentierte Zito. Und dann fragte er:
»Habt ihr sie noch nicht identifiziert?«
»Nein.«
»Sag mir, was ich tun soll.«
»Diese Fotos müsstest du in den Abendnachrichten zeigen und dann noch mal in der darauf folgenden Nachrichtensendung und in der Spätausgabe. Wir wollen wissen, ob irgendwer ein etwa zwanzigjähriges Mädchen mit so einem Tattoo gekannt hat. Auch anonyme Anrufe sind hilfreich. Natürlich müsstest du eine Telefonnummer hier vom Sender angeben.«
»Und wieso nicht die vom Kommissariat?«
»Hast du eine Ahnung, was für ein heilloses Durcheinander Catarella anrichten würde?«
»Kann ich denn wenigstens sagen, dass du die Ermittlungen leitest?«
»Ja, solange der Questore sie mir nicht
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