Commissario Montalbano 14 - Die Tage des Zweifels
andere Lösung her.
Er betrat das Gebäude durch einen Hintereingang, stieg zwei Treppen hoch und blieb vor einem Tisch stehen. Dahinter saß ein Beamter, den er kannte.
»Ist Dottor Geremicca da?«
»Ja, der Commissario ist in seinem Büro. Sie können zu ihm.«
Er klopfte und trat ein.
Attilio Geremicca, ein hagerer Mittfünfziger, rauchte dicke, stinkende Zigarren. Montalbano war überzeugt, der Tabak für diese Sonderanfertigung wurde mit Hühnerscheiße angereichert. Jetzt stand Geremicca vor einem riesigen Mikroskop und betrachtete einen Fünfzig-Euro-Schein.
Kaum hatte er Montalbano erblickt, kam er ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen.
Sie umarmten sich voll aufrichtiger Freude über das Wiedersehen.
Als sie ein wenig geplaudert hatten, fragte Geremicca, ob Montalbano irgendetwas brauche. Der Commissario hielt ihm Lannecs Pass hin und erzählte ihm die ganze Geschichte.
»Und was willst du von mir?«
»Ich will wissen, ob dieser Pass echt ist oder nicht.«
Geremicca begutachtete das Dokument sorgfältig, während er sich eine Zigarre anzündete.
Montalbano konnte unmöglich die ganze Zeit die Luft anhalten, deshalb tat er so, als bekäme er gleich einen Niesanfall, und hielt sich das Taschentuch vor die Nase.
»Schwer zu sagen«, antwortete Geremicca nach einer Weile. »Aber wenn er nicht echt ist, ist er von einem wirklichen Könner gefälscht. Sieh dir mal an, wo der überall herumgekommen ist, ohne je Verdacht zu erregen.«
»Du meinst also, der Pass ist echt?«
»Ich meine gar nichts. Weißt du, wie viele Leute jahrelang mit falschen Pässen herumlaufen? Hunderte! Und dieser Lannec …«
»Apropos, zu diesem Namen wollte ich dir etwas sagen, was vielleicht von Bedeutung ist.«
»Ich höre.«
»Ich habe festgestellt, dass Émile Lannec denselben Namen und denselben Geburtsort – nämlich Rouen – hat wie eine Romanfigur von Simenon. Kann das etwas heißen?«
»Weiß ich nicht. Sag mal, könntest du mir den Pass ein Weilchen hierlassen?«
»Aber nicht zu lange. Reicht dir eine Woche?«
»Ja.«
»Was hast du damit vor?«
»Ich möchte mit einem französischen Kollegen darüber sprechen, einem Spezialisten auf diesem Gebiet.«
»Willst du ihm den Pass schicken?«
»Das ist nicht nötig.«
»Aber wie soll denn dein Kollege erkennen, ob das Papier, die Stempel …«
Geremicca musste grinsen.
»Ein Pass ist doch kein Geldschein, Salvo! Die Passfälscher arbeiten in der Regel mit Originalpässen, die jemandem gestohlen oder noch ungestempelt aus irgendeiner Behörde entwendet wurden. Deshalb habe ich ja vorhin gesagt, es scheint mir das Werk eines Könners zu sein, aber nur stellenweise. Und falls mein französischer Kollege noch Fragen hat, gibt es ja das Internet. Keine Sorge, wie gesagt: Eine Woche reicht mir. Allerhöchstens.«
Kaum war er wieder im Kommissariat, ließ er Fazio zu sich kommen.
»Haben die Carabinieri Chaikri wiedergebracht?«
»Jaja, Dottore, er ist hier.«
Noch bevor er anordnen konnte, Fazio solle ihn sofort zu ihm ins Büro führen, klingelte das Telefon.
»Warte kurz«, sagte er und nahm den Hörer ab.
»Ah Dottori! Ich hätte da den Staatsanwalt Gommaseo am Telefon, der will mit Ihnen …«
»Gut. Stell ihn durch.«
»Montalbano?«
»Ja bitte, Dottore.«
»Ich wollte Sie nur informieren, dass gestern Nachmittag die Signora Giovannini ziemlich aufgebracht zu mir gekommen ist, die Besitzerin der Vanna … dieses schar… diese charmante Dame, Sie wissen, wen ich meine?«
»Ja, ich weiß, Dottore.«
»So wie sie aussieht, ist sie mit Sicherheit eine Domina.«
Montalbano verstand nicht gleich.
»Wie, eine Domina?«
»Na, für ihren Partner, mein Lieber! Die benutzt in ihrem Schlafzimmer bestimmt Peitschen, trägt Leder und High Heels, behandelt ihren Kerl wie ein Stück Vieh, knebelt ihn und reitet auf ihm …«
Montalbano hätte am liebsten losgelacht, aber er hielt sich zurück. Er stellte sich Mimì vor, der sich nackt auf dem Teppich räkelte, während die Giovannini ihm den Stöckelabsatz in den Nacken setzte … Ach, die Männerphantasien von Staatsanwalt Tommaseo! Soweit bekannt, hatte er weder eine Frau noch eine Freundin. Wenn er an die Giovannini dachte, bekam er vermutlich glänzende Augen, seine Hände zitterten, und er fing an zu sabbern.
»Nun, jedenfalls, was ich Ihnen sagen wollte, ist, dass sie gestern bei mir war. Sie behauptet, dass wir ihr Boot ohne rechtliche Handhabe im Hafen festhalten, sie sprach von
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