Commissario Montalbano 14 - Die Tage des Zweifels
Sache.«
»Tu, was du für richtig hältst, aber lass dieses Kind aus dem Spiel. Und wenn du Wert drauf legst, entschuldige ich mich dafür, dass ich nicht zu deiner Beerdigung gekommen bin. Beim nächsten Mal werde ich es nicht versäumen.«
Endlich lachten sie beide.
»Wie geht es dir?«, fragte Montalbano.
»Gut. Und dir?«
»Ich stecke im Moment in Ermittlungen, die … Ach, apropos, kennst du einen Émile Lannec?«
»Was soll das? Ist das wieder so ein Scherz von dir?«
»Kennst du ihn nun oder nicht?«
»Klar kenn ich ihn. Wir haben ihn doch gemeinsam kennengelernt.«
»Wo denn?«
»In Marinella.«
Er hatte nicht den blassesten Schimmer.
»Tatsächlich? Und wer ist das?«
»Das ist der …«, begann sie.
Doch dann unterbrach sie sich und fing an zu lachen.
»Das ist genauso einer wie dein Kind.«
»Livia, komm schon, ich …«
Aber sie hatte aufgelegt. Er wählte ihre Nummer, aber sie ging nicht ran.
Das war Livias Rache für die Geschichte mit dem nicht existenten Kind. Verflucht noch mal, diese Frau ließ ihm aber auch gar nichts durchgehen!
Er hatte nicht den geringsten Appetit und schaute daher weder in den Kühlschrank noch in den Backofen. Mit der Whiskyflasche, einem Glas und den Zigaretten ging er auf die Veranda hinaus.
Émile Lannec.
Er ging noch mal rein, um den Pass des Franzosen zu holen.
Die Stempel in seinem Pass dokumentierten, dass Lannec dreimal in Südafrika gewesen war: zweimal in Namibia – Montalbano hatte keine Ahnung, wo das lag – und viermal in Botswana, dessen geografische Lage ihm genauso unbekannt war. Außerdem hatte er Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten, den Libanon und Syrien besucht.
Fehlte nur noch Israel, dann wäre die Liste der Länder am südlichen und östlichen Rand des Mittelmeers komplett gewesen.
Was hatte Signor Lannec dort gemacht?
Montalbano hatte das erste Glas Whisky ausgetrunken, jetzt stand er auf, holte den Weltatlas und suchte Namibia und Botswana auf der Karte. Zwei Länder an der nördlichen Grenze zu Südafrika.
Und auf einmal fiel ihm wieder ein, dass auch die Vanna in dieser Gegend unterwegs gewesen war. Laura hatte es ihm gesagt. Sein Herz zog sich zusammen.
Laura!
Jetzt, genau in diesem Augenblick, war sie mit Mimì allein. Sie waren mit dem Essen fertig, und Mimì würde die Gelegenheit ganz sicher zu nutzen wissen! Von wegen Informationsaustausch über Treibstoffe! Von wegen Diskussion über die optimale Tarnung! Mimì war schlimmer als Don Juan. Gut möglich, dass er jetzt bereits eng umschlungen mit …
Diesen Gedanken musste Montalbano in Whisky ertränken. Im Handumdrehen stürzte er noch ein Glas hinunter.
Er musste sich wie ein indischer Yogi auf das Problem Lannec konzentrieren. Das war das Einzige, was ihm jetzt half.
Aber das war gar nicht so einfach.
Konnte es einen Zusammenhang zwischen Lannec und der Vanna geben? Als die Yacht in den Hafen einlief, war Lannec schon eine Weile tot. Außerdem hatte die Vanna gar nicht im Hafen anlegen wollen. Und weiter? Mit wem hatte er sich treffen wollen? Konnte es tatsächlich sein, dass er sich nicht daran erinnerte, Lannec kennengelernt zu haben, noch dazu hier in Marinella?
Was hatte Livia gesagt?
Lannec sei wie das Kind, das er erfunden hatte.
Moment mal, Montalbano, stopp. Konzentrier dich.
Livia hatte ihm zu verstehen geben wollen, dass Lannec ebenfalls nicht in der Realität existierte, sondern eine Phantasiegestalt war.
Ein Geistesblitz durchzuckte ihn. Eine erfundene Figur! Eine Romanfigur!
Er sprang auf und ging zu seinem Bücherregal. Es musste ein Buch sein, das er zusammen mit Livia gelesen hatte.
Fast instinktiv streckte er die rechte Hand aus und griff nach einem Buch mit hellblauem Umschlag: Die Pitards , ein Meisterwerk von Georges Simenon. Es hatte ihm so gut gefallen, dass er es gleich noch zweimal gelesen hatte. Er schlug es auf.
Da war er, der Protagonist des Romans: Kapitän Émile Lannec aus Rouen, Eigner und Kapitän eines klapprigen alten Schiffs mit Namen Himmeldonnerwetter.
Er blätterte ein bisschen in dem Buch herum, als es ihm wieder einfiel. Der Roman erzählte eine spannende Geschichte, die aber mit seinen derzeitigen Ermittlungen nicht das Geringste zu tun hatte.
Konnte es nicht Zufall sein, dass der Ermordete den gleichen Namen trug wie Simenons Hauptfigur? Nein. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit eines solchen Zufalls? Eins zu einer Milliarde?
Oder hatte sich der Franzose einen Scherz erlaubt, als er
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