Commissario Tron 5: Requiem am Rialto
eine Kesselpauke in der Brust. «Hat
der Comte etwas
angedeutet?»
Der Oberst
schüttelte den Kopf. «Ich habe vorhin Signor Sorellis
Zimmer durchsucht, als er im Arbeitszimmer Seiner Hoheit Diktate
aufgenommen hat. Es ging nur um seine Tätigkeit für die
Franzosen. Und dabei bin ich auf Messer, Lederriemen, Masken und
Zeitungsausschnitte gestoßen. Ich war genauso überrascht
wie Sie.»
«Und
jetzt?»
«Haben Sie
nichts mehr mit dem Fall zu tun. Wir werden Signor Sorelli morgen
nach Verona überfuhren und die Vernehmungen dort
fortsetzen.»
«Wohin haben Sie
ihn jetzt gebracht?»
«In die
Arrestzellen am Rio dell Palazzo.»
«In die Bleikammern?»
«Mit einem
romantischen Blick auf den Ponte dei Sospiri.» Der Oberst
lächelte zynisch, zog an seiner Zigarette und stieß
dünne Rauchfahnen durch die Nasenlöcher.
«Kann ich mit
Signor Sorelli sprechen?»
«Ich glaube
nicht, dass Spaur es billigen würde, wenn Sie sich länger
mit dem Fall befassen.»
«Sie lassen mich
nicht zu ihm?»
Der Oberst
schüttelte den Kopf. «Das darf ich nicht. Signor Sorelli
ist in Militärarrest.» Er warf seine Zigarettenkippe auf
den Boden und zertrat sie wie einen Käfer. «Werden Sie
den Polizeipräsidenten heute noch sehen?»
«Der Baron ist
in der Questura.»
«Dann teilen Sie
ihm mit, dass wir ihm morgen früh einen vorläufigen
Bericht schicken werden», sagte der Oberst. «Ich nehme
an, dass er zufrieden sein wird. Obwohl die venezianische Polizei
sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat.» Er ging zur
Tür und öffnete sie, um zu demonstrieren, dass das
Gespräch beendet war. «Und vergessen Sie nicht,
Commissario, Sie haben mit dem Fall nichts mehr zu
tun.»
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Spaur leuchtete. Sein
Gesicht hatte sich mit jedem Wort, das Tron sprach, aufgehellt. Als
Tron mit seinem Bericht über die Ereignisse im Palazzo Cavalli
zu Ende gekommen war, hatte der Polizeipräsident den
entrückten Ausdruck eines Mannes, der soeben in der
staatlichen Lotterie den Hauptgewinn gezogen
hatte.
«Das
alles», sagte Spaur strahlend, «ist äußerst
peinlich für die venezianische Polizei.» Das
nachgeschobene resignierende Achselzucken konnte gar nicht unechter
sein. «Aber wir müssen die Dinge nehmen, wie sie nun
einmal sind.»
Der
Polizeipräsident schob die Schachtel mit dem Demel-Konfekt
über seinen Schreibtisch und machte — o Wunder! —
eine einladende Geste. Tron erinnerte sich nicht daran, dass ihm
der Polizeipräsident jemals eines seiner Pralinés
angeboten hatte. «Und Stumm hat Ihnen deutlich gesagt, dass
dieser Fall nicht in unsere Zuständigkeit
fällt?»
«Der Oberst hat
mir ausdrücklich versichert, dass er unsere Statistik nicht
belastet», sagte Tron. Er entschied sich nach kurzem
Überlegen für ein Stück Karamell-Ganache, das seiner
Erinnerung nach immer in blaues Glanzpapier eingewickelt
war.
«Dann hat sich
also alles in Wohlgefallen aufgelöst», resümierte
Spaur.
Ausgewickelt erwies
sich Karamell-Ganache als Noisette-Praliné. Offenbar hatte
jemand in Wien die Farbe des Papiers geändert. Tron ließ
das Praliné in seinem Mund verschwinden. «So scheint es jedenfalls»,
sagte er etwas undeutlich.
Spaur
überhörte diese Bemerkung — oder hatte sie
tatsächlich nicht gehört, denn bei dem Wort Wohlgefallen hatte er intensiven
Blickkontakt mit der Fotografie seiner Gattin auf seinem
Schreibtisch aufgenommen. «Also können die Baronin und
ich», fuhr er fort, den Blick immer noch auf ihr Bild
gerichtet, «weiterhin mit Einladungen Seiner Hoheit rechnen.
Die Baronin hatte sich gestern Abend gefragt, warum es ausgerechnet
der Comte de Chambord sein musste.»
Tron ließ die
Frage unkommentiert und beschloss, ein wenig deutlicher zu werden.
«Falls sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben,
Baron.»
Spaurs Augenbrauen
zogen sich zusammen. «Was soll das heißen,
Commissario?»
«Dass ich dieser
Lösung nicht traue.»
«Obwohl die
Beweise klarer nicht sein könnten?»
«Die einzigen
Beweise, die wir haben, sind Messer, Masken und Lederriemen»,
sagte Tron.
«Das sollte
ausreichen.»
«Die Frage ist,
wie diese Beweisstücke in das Zimmer von Signor Sorelli
gelangt sind.»
Spaur runzelte die
Stirn. «Sie unterstellen dem Oberst, dass er Signor Sorelli
falsches Beweismaterial untergeschoben
hat?»
«Ich unterstelle
dem Oberst gar nichts», sagte Tron. «Ich wundere mich
nur darüber, dass er mir nicht gestattet, mit Signor Sorelli
zu reden.»
«Das ist sein
gutes Recht. Abgesehen davon
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