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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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und
Lunge. Was schlagartig zu einer besseren Sauerstoffversorgung
führt.» «Riechsalz?»
    «So ist
es.»
    «Wozu hat der
Mann es gebraucht?»
    «Ich glaube
nicht, dass die Frau erstickt ist.»
    «Und die
Würgemale am Hals?»
    «Er hat sie bis
zur Bewusstlosigkeit gewürgt», sagte Dr. Lionardo.
«Aber er wollte nicht, dass sie stirbt. Noch nicht.»
    «Sie meinen, er
...»Tron musste den Satz nicht zu Ende sprechen. Es war klar,
was er sagen wollte.
    Dr. Lionardo nickte.
«Er wollte, dass sie lebt, wenn er seine Operation vornahm.
Und dass sie bei Bewusstsein war. Dazu brauchte er das
Riechsalz.»
    «Wann
können Sie die Sektion vornehmen?»
    Dr. Lionardo streifte
seine Baumwollhandschuhe ab und ließ sie auf den Boden der
Gondel fallen. Als der medico legale sein Gesicht ins Licht
drehte, sah Tron, dass er genauso bleich war wie Bossi.
    «Morgen
früh», sagte Dr. Lionardo matt. «Ich schicke Ihnen
den Bericht gegen Mittag auf die Questura.»

11
    Tron betrat die
Questura am nächsten Morgen kurz vor elf. Spaur war noch nicht
aufgetaucht, aber der Commissario hatte ohnehin die Absicht, den
Bericht von Dr. Lionardo zu lesen, bevor er mit dem
Polizeipräsidenten sprach. Es war klar, aber erheblich
kälter als gestern Nacht. Ein unangenehmer, von der
nördlichen Lagune kommender Wind strich über Venedig und
schien die Feuchtigkeit, die über der Stadt gelegen hatte, auf
die terra
ferma geblasen zu haben. Vermutlich,
dachte Tron, konnte man heute von den Altanen vieler Häuser
die schneebedeckten prealpi sehen, ein Anblick, der ihn immer
aufs Neue entzückte.
    In seinem Büro
angekommen, sah Tron, dass zwei große braune Umschläge
auf seinem Schreibtisch lagen. Einer enthielt den Sektionsbericht
von Dr. Lionardo, der andere die Fotografien, die Bossi auf der
Gondel gemacht hatte. Tron überlegte kurz. War es notwendig,
Bossis Umschlag zu öffnen? Nein. Den Anblick des
aufgeschlitzten Frauenkörpers musste er sich nicht ein zweites
Mal zumuten. Also setzte er seinen Kneifer auf und öffnete den
Umschlag mit dem Sektionsbericht.
    Wie erwartet,
bestätigte sich das, was der dottore bereits gestern Nacht vermutet
hatte. Die Frau war noch am Leben gewesen, als der Mörder ihre
Bauchdecke aufgeschlitzt hatte. Der Tod war nicht durch Ersticken
eingetreten, sondern durch Verbluten. Da Tron mit der Gabe der
exakten Phantasie geschlagen war, stellten sich sogleich einige
Fragen. Wie lange hatte es gedauert, bis der Blutverlust so stark
war, dass die Frau das Bewusstsein verloren hatte? Fünf
Minuten? Zehn Minuten? Und: Hatte sie die Operation noch bei vollem
Bewusstsein erlebt, oder war sie zu diesem Zeitpunkt bereits
ohnmächtig? Die Einschnürungen an Händen und
Fußgelenken waren stärker gewesen, als gestern Abend zu
erkennen gewesen war — ein Indiz dafür, dass das Opfer
sich verzweifelt gewehrt hatte. Interessant war auch, dass der
Mörder über solide anatomische Kenntnisse verfügt
haben musste. Eine Leber zu entfernen, ohne sie dabei zu
beschädigen, betonte der Bericht, sei nicht einfach, und das
entfernte Organ war intakt gewesen. Handelte es sich demnach um
einen Arzt? Nicht unbedingt. Jedenfalls würde Dr. Lionardos
Beobachtung helfen, die Suche nach dem Täter
einzugrenzen.     
    Aber nach welchem Täter? Suchten
sie tatsächlich einen Zuhälter, der auf brutale Weise ein
Exempel statuieren wollte? Hier im gemütlichen Venedig? Tron
wusste nicht, was in den einschlägigen Kreisen von Paris oder
London üblich war. Weidete man dort abtrünnige Huren zur
Abschreckung aus? Tron bezweifelte es. Das venezianische
Rotlichtgewerbe jedenfalls hatte eine lange, ehrwürdige
Tradition. Zuhälter und Huren verhielten sich
unauffällig, und dafür ließen die Behörden sie
gewähren. Außer ein paar Körperverletzungen war in
Trons Amtszeit auch nie etwas Ernsthaftes vorgefallen. Nein - ein
solches Verbrechen passte nicht zu Venedig.
    Handelte es sich also
um die Tat eines Wahnsinnigen? Eines äußerst brutalen
Verrückten? Und wenn — wie fahndet man nach einem
Verrückten? Nach einem Täter, der kein rationales Motiv
hat? Nach einem Mann, der sein Opfer nicht einmal vorher gekannt
haben muss und der jederzeit wieder zuschlagen kann? Das war keine
angenehme Aussicht.
    *
    Bossi tauchte eine
halbe Stunde später auf. An den freudig-dynamischen Schritten,
mit denen er sich näherte, erkannte Tron, dass der Ispettore
Erfolg gehabt hatte.
    «Sie hat hin und
wieder in der Locanda verkehrt», sagte Bossi. «Ein
Kellner

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