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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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und beobachtete fasziniert, wie helles
Blut aus der Wunde quoll. Danach genoss er die Vereinigung mit dem
Tier, den Rausch.
    Groß
aufräumen musste er anschließend nicht. Er hatte die
Tagesdecke rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Die blutige
Operation hatte er auf dem Bett vorgenommen und dabei das straff
gespannte Laken als Operationstisch benutzt. Natürlich war
Blut dabei geflossen, aber es war seitlich an ihr herabgelaufen und
im Laken versickert. Das Organ hatte er ordentlich auf dem
Nachttisch deponiert. Dort funkelte es jetzt im Schein des
Kerzenleuchters wie polierte Bronze. Ein paar unschöne
Spritzer auf dem Fußboden, an den Bettpfosten waren schnell
beseitigt. Dabei bediente er sich des Waschlappens und des
Handtuchs, die er vorher angefeuchtet
hatte.   
    Einer plötzlichen
Eingebung folgend, öffnete er die Schublade des Nachttisches
und schob das Organ mit einer energischen Handbewegung hinein. Den
Nachttisch selbst reinigte er mit dem Waschlappen, den er
anschließend unter das Bett warf. Dann richtete er sich auf
und trat einen Schritt zurück, um sein Werk zu betrachten. Das
Resultat war äußerst befriedigend. Die Leiche lag
ordentlich auf der rechten Seite des Doppelbetts. Er hatte sie so
unter der Bettdecke verstaut, dass nur noch der blonde Haarschopf
der Frau zu erkennen war. Vermutlich war die Matratze inzwischen
blutdurchtränkt, aber auf den ersten Blick schien seine
bizarre Operation keine Spuren hinterlassen zu haben. Wer immer
nach ihm den Raum betrat, würde zunächst den Eindruck
haben, dass die Signorina ein kleines Nickerchen machte. Jedenfalls
solange er nicht versuchte, sie zu wecken.
    Puh! Er reckte sich,
massierte sich den Nacken und stellte fest, dass er auf einmal
todmüde war. Kein Wunder nach dem Programm, das er gerade
absolviert hatte. Er sah auf die Uhr. Erst eine Viertelstunde nach
acht. Es sprach nichts dagegen, ein paar Minuten die Beine
auszustrecken. Der nächste Kunde war ja erst für neun
angekündigt. Und das Tier? Von dem war nichts zu hören.
Es hatte sich in seine Höhle verkrochen, wo es zweifellos den
Schlaf des Gerechten schlief. Also legte er sich vorsichtig auf die
linke Seite des Bettes, gähnte und schloss die Augen.
Fünf Minuten später war er eingeschlafen.

20
    Ignaz Zuckerkandl,
Fabrikant chirurgischer Messer und nicht mehr ganz nüchtern,
hob die Hand, um einen weiteren Grappa zu bestellen. Er saß
in einem schmierigen Café, trank aus einem schmierigen Glas,
und wenn er die Augen schloss, sah er ein schmieriges Bett mit
ungewechselter Bettwäsche vor sich. Er fragte sich, worauf er
sich da eingelassen hatte.
    Die Pensione Seguso
befand sich in unmittelbarer Nähe des Cafés. Beides lag
an den Zattere, der langen Uferpromenade an der Südseite des
Dorsoduro. Tagsüber hätte man auf der anderen Seite des
Giudecca-Kanals die Fassade der Redentore gesehen. Jetzt, bei
Dunkelheit, war außer ein paar blassen Lichtpunkten nicht
viel von der Giudecca-Insel zu erkennen. Er war mehrmals
unauffällig an der pensione vorbeigelaufen.
Natürlich handelte es sich um ein Stundenhotel. Das war schon
daran zu erkennen, dass die pensione nicht so aussah wie
ein Stundenhotel. Mit der kleinen Markise über dem Eingang und
ihrem polierten Messingschild wirkte sie fast
bürgerlich-gediegen. Aber der Frau, mit der er verabredet war,
hatte man auch nicht angesehen, welcher Tätigkeit sie
nachging. Nichts in dieser Stadt war das, was es zu sein schien.
Und er? Als er im Hotel einen letzten Blick in den Spiegel geworfen
hatte, fand er, dass er aussah wie ein flotter Salonhengst. Es war
alles ein Witz. 
    Wieder sah er auf die
Uhr. Das tat er alle drei Minuten. Noch eine knappe Stunde. Da er
nicht die Absicht hatte, Schlag neun auf der Matte zu stehen,
würde er kurz nach neun hier aufbrechen. Er würde
fünf Minuten später die Hotellobby durchqueren und sich
zu ihrem Zimmer begeben. Dort würde er anklopfen und die
Klinke hinabdrücken. Was danach geschah, lag in Gottes
Hand.
    Er hatte, um sich auf
den bevorstehenden Abend einzustimmen, heute Nachmittag auf dem
Markusplatz eine Serie von künstlerischen Fotografien
erworben. Auf der Piazza wurden diese Lichtbilder mit der gleichen
Selbstverständlichkeit angeboten wie Taubenfutter. In seinem
Hotelzimmer hatte er die Aufnahmen lange betrachtet, allerdings
ohne dass sich eine entsprechende Stimmung einstellen wollte. Diese
Bildchen, auf denen unbekleidete junge Frauen Mandoline spielten,
mit Kastagnetten klapperten oder

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